Vögel auf Rügen - Teil I: Der Karmingimpel, der Gelbspötter und die Uferschwalbe

Karmingimpel (Carpodacus erythrinus), 29.05.2019, Moritzdorf/Rügen
Karmingimpel (Carpodacus erythrinus), 29.05.2019, Moritzdorf/Rügen

Im April, Mai und Juni habe ich insgesamt drei Wochen meine Lieblingsinsel Rügen unsicher gemacht. Bei überwiegend bestem Wanderwetter war ich ständig unterwegs und durfte unendlich viel bestaunen und erleben. Wie in jedem Frühjahr zog mich besonders die Vogelwelt in ihren Bann und so möchte ich heute ein paar gefiederte Gesellen vorstellen, die meinereine in Berlin entweder gar nicht oder nur extrem selten zu Gesicht bekommt. Und um es gleich zu sagen, der rot gefärbte Vogel auf dem Foto nebenan hat es mir besonders angetan. Es handelt sich um einen männlichen Karmingimpel (Carpodacus erythrinus), der auf dem Mönchgut nicht wenige Brutreviere hat. Ab Mitte Mai ungefähr kann niemand seinem lautstarken "nice to see you" entgehen, dem unverkennbaren Ruf in der Balzzeit. Von den meisten Menschen wird der immer gleich klingende Gesang auch ziemlich schnell bemerkt, aber nur die wenigsten wissen, welcher Vogel dahintersteckt. Bisher hatte ich gedacht, dass das "nice to see you" ausschließlich den so wunderbar gefärbten, erwachsenen Männchen vorbehalten ist. Inzwischen weiß ich, dass das nicht stimmt. Ich habe nämlich mit eigenen Augen gesehen und mit eigenen Ohren gehört, dass sowohl die Weibchen als auch zweijährige Männchen unablässig rufen. Und auch, dass die Vögel außer diesem markanten Ruf noch einiges mehr an Vogelgezwitscher drauf haben. Karmingimpel sind Zugvögel, die die Wintermonate in Indien und China verbringen und nur von Mai bis Juli bei uns zu beobachten sind. Denn sobald die Jungvögel flügge sind, machen sie sich auf den langen Rückweg in ihre Winterquartiere. Auf dem Mönchgut scheinen sie die mit einer artenreichen Strauch- und Krautschicht sowie Bäumen bewachsenen Hänge der Steilküsten als Brutgebiet zu bevorzugen, an die Wiesengelände angrenzen. Diese Lebensräume bieten neben perfekten Brutplätzen ein breites Nahrungsspektrum, denn am liebsten fressen die Vögel Samen und Knospen, während kleines Getier wie Spinnen der Raupen nur ein geringen Teil der Nahrung ausmacht.

Die bewachsenen Steilufer des Mönchguts teilen die Karmingimpel mit einem Vogel, der genauso gut zu hören und schwer zu entdecken ist wie sie: dem Gelbspötter (Hippolais icterina). Besonders in den frühen Vormittagsstunden und am späten Nachmittag sitzen die Männchen im Gebüsch und lassen ein wahres Feuerwerk an Lautäußerungen erschallen: Pfeifen, Knattern, Knarzen, Jammern - mal mehr, mal weniger melodisch, gepaart mit dem Nachahmen anderer Vogelstimmen.

Gelbspötter (Hippolais icterina), 05.06.2019, Lobber Ort/Rügen
Gelbspötter (Hippolais icterina), 05.06.2019, Lobber Ort/Rügen

Das Konzert des Gelbspötters hat es in sich und ist weithin hörbar. Meistens wird es umgehend vom Gelbspötter im Nachbarrevier beantwortet, der natürlich versucht, den anderen an Lautstärke und Vielfalt der Töne zu übertreffen. Übrigens kommt man sich durchaus verspottet vor, wenn man den Vogel dicht neben sich hört, aber einfach nicht entdeckt, weil er mit seinem grünlich, gelben Gefieder mit den Blättern der Büsche und Bäume quasi eins wird. Glücklicher Weise setzte sich einer der Gelbspötter vom Lobber Ort in schönster Regelmäßigkeit auf einen abgestorbenen Baum. Ich kam zwar nicht besonders nahe an ihn heran, konnte ihn jedoch bestens beobachten. Vehement wurde sein Ansitz übrigens gegen Bluthänflinge, Karmingimpel, Goldammern oder Heckenbraunellen verteidigt, die ebenfalls gern auf diesem abgestorbenen Baum saßen. Selbst wenn er gerade mit der Nahrungssuche beschäftigt war, wurde jeder Vogel vertrieben, der sich dort niederließ. Im Gegensatz zum Karmingimpel fressen Gelbspötter fast ausnahmslos tierische Nahrung. Auf ihrem Speiseplan stehen zum größten Teil Insekten, aber auch Spinnen sowie kleine Würmer oder Schnecken. Die Wintermonate verbringt der schwatzhafte Vogel in afrikanischen Gefilden, wo von ca. Oktober bis April die Savanne seine Heimat ist. Auf dem Mönchgut konnte ich den kleinen, farbenprächtigen Vogel nicht nur an den bewachsenen Steilufern, sondern auch in artenreichen Hecken und auf Friedhöfen, an Waldrändern und in naturnahen Gärten beobachten.

Zu den typischen Bewohnern der Rügener Steilküsten gehören außerdem die Uferschwalben (Riparia riparia). Allerdings sind für sie lediglich die unbewachsenen Areale von Interesse, in die sie ihre Brutröhren bauen können. Dicht an dicht graben sie an stabilen Steilhängen ihre Brutröhren, an deren Ende sich ein mit Federn und Grashalmen ausgepolstertes Nest befindet. Kurz nachdem die mit einer Länge von ungefähr 12 Zentimetern kleinsten europäischen Schwalben aus ihren Überwinterungsgebieten in Afrika oder Südamerika zurückgekehrt sind, beginnen sie mit der Balz und dem Nestbau.

Uferschwalbenkolonie am Göhrener Nordperd, Mai 2019
Uferschwalbenkolonie am Göhrener Nordperd, Mai 2019

Im Mai kann man sie daher oft niedrig über den Strand fliegen sehen, wo sie nach geeignetem Nistmaterial Ausschau halten. Uferschwalben leben gesellig und brüten in den Steilwänden in recht großen Kolonien. Abseits der Küsten bieten Steilwände an Flussufern und in Kiesgruben geeignete Brutmöglichkeiten. In der Nähe meines Wohnortes kenne ich ein altes, mit Löchern versehenes Stück Mauer, an der sich in jedem Jahr ungefähr 20 Uferschwalben einfinden, um zu brüten. Aufgrund schwindender, geeigneter Lebensräume werden Uferschwalben immer seltener und unterliegen durch die deutsche Naturschutzgesetzgebung einem strengen Schutz. Achten Sie also bitte darauf, dass Sie die Tiere nicht stören, wenn Sie auf Rügen unterwegs sind. Neben den Uferschwalben haben auf Deutschlands größter Insel auch Rauch- und Mehlschwalben ihre Brutgebiete. Leider werden deren Nistmöglichkeiten immer weiter reduziert. Für die Rauchschwalbe (Hirundo rustica), die innerhalb von Gebäuden brütet, sind alte Scheunen und Stallgebäude, die offene Ein- und Ausflugmöglichkeiten aufweisen, unabdingbar. Aufgrund dieser Eigenart hat sie es besonders schwer, denn alte, offene Gebäude müssen immer öfter Neubauten weichen. Mehlschwalben (Delichon urbica) hingegen bauen ihr typisches napfförmiges Nest an den äußeren Gebäudewänden dicht unter der Dachkante, was von Hausbesitzern allzu oft nicht gern gesehen wird. Ich habe nicht nur einmal erlebt, wie Schwalbennester von Häuserwänden entfernt wurden, damit diese nicht von den Vögeln verschmutzt werden. Das ist ärgerlich und macht mich traurig, denn es gibt gerade für die Mehlschwalben Alternativen, damit die Hauswände sauber bleiben. Die für den Naturschutz verantwortlichen Stellen oder der NABU helfen hier liebend gern weiter. Beide Schwalbenarten werden in Deutschland auf der Roten Liste der gefährdeten Arten geführt. Und jene Menschen, die mit Inbrunst damit beschäftigt sind, täglich aufs Neue die gerade begonnenen Nester der Mehlschwalben mit einem Gartenschlauch zu beseitigen, sollten sich nicht nur deren Gefährdungsstatus bewusst machen. Ein Rügen ohne DAS typische Geräusch des Sommers, nämlich das Zwitschern der Schwalben, ist für viele Menschen nicht das, was sie im Urlaub erleben wollen. Mit Freude habe ich immerhin zur Kenntnis genommen, dass in kleinen Ortschaften Schwalbentürme aufgestellt wurden, die von den Vögeln sehr gut angenommen werden. Das sei gesagt.

Sooo. Das wäre der erste Teil meiner gefiederten Mitbringsel aus meinen Rügenurlauben 2019. Der Link zum zweiten Teil befindet sich am Ende der Seite.

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Kommentare: 5
  • #1

    Staakener (Montag, 24 Juni 2019 10:53)

    Hallo Marion, das sind ja wirklich tlle Vögel, die du uns hier zeigst. Karmingimpel - wie schön der ist. Noch nie gesehen. Mehr davon bitte.

  • #2

    von Rügen (Freitag, 28 Juni 2019 13:10)

    Ich lebe auf Rügen und bin oft sauer auf die Touris. Jetzt bin ich auf diese Seiten gestoßen und muss sagen: So liebevoll wird die Natur "meiner" Insel sehr selten beschrieben. Wunderbar. Weiter so. Und danke.

  • #3

    butterfly (Mittwoch, 31 Juli 2019 11:20)

    Mit unseren Vögeln kenne ich mich nicht so gut aus. Aber deine Seite ist schön. Ich wusste auch nicht, dass wir so bunte Vögel bei uns haben.

  • #4

    hobbyvogel (Donnerstag, 22 August 2019 16:00)

    Hallo Frau Haufe. Ja, die Insel Rügen ist ein Vogelparadies. Noch, denn die Insulaner kennen offensichtlich auch keine Grenzen beim Bauen. Aber heutzutage kann man sie noch entdecken, die Karmingimpel, Trauerschnäpper, Regenpfeifer usw. usf. Ich fahre in jedem Frühjahr wegen der Vögel nach Rügen. Mal nach Wittow, mal auf das Mönchgut. Entdecken kann man überall etwas. ich wünsche Ihnen noch viele schöne Erlebnisse auf Ihrer Lieblingsinsel.
    viele Grüße aus Bonn

  • #5

    möchtegernornithologe (Dienstag, 29 Oktober 2019 14:04)

    Ich war vor kurzem auf Rügen und habe fleießig nach dem Karmingimpel Ausschau gehalten. Aber es war keiner zu sehen. Auch nicht zu hören. Aber Sie schreiben, es gebe ihn dort häufig. Was stimmt denn nun?