Gänzlich anders als geplant verlief meine Herbstreise nach Rügen vom 18. September bis zum 02. Oktober 2016. Ursprünglich wollte ich diese zwei Wochen mit meiner Tochter verbringen, die nicht in Berlin lebt. Der Urlaub sollte wie schon im Mai nur uns gehören. (An dieser Stelle ein herzliches, liebevolles Dankeschön an meinen Mann, der uns diese Zeit stets so großzügig zugesteht.) Doch diesmal wurde daraus leider nichts. Bis auf drei Tage, an denen meine Tochter und ihr Lebensgefährte auf die Insel kommen konnten, musste ich mich allein rumtreiben.
Glücklicher Weise habe ich kein Problem mit dem Alleinsein. Im Gegenteil: Ich kann das sogar genießen. Es tut gut, sich nur um sich selbst kümmern zu müssen bzw. zu können. Zu tun und zu lassen, wozu man gerade Lust hat. Mal einfach die Klappe zu halten. Niemandem zuhören oder antworten zu müssen. Nur bei sich selbst zu sein. Was nicht heißen soll, dass ich mir grundsätzlich selbst genüge. Nein, nein, so ist das keineswegs. Ein Teil von mir hat es zutiefst bedauert, dass ich all die schönen Erlebnisse und Eindrücke weder mit meiner Tochter noch mit meinem Mann teilen, dass es keine gemeinsame Reise sein konnte. Aber jut. Das sollte halt nicht sein.
Die erste Überraschung lieferte das Wetter. Denn meine Befürchtungen, dass nach dem stabilen Hoch in den ersten beiden Septemberwochen ein dickes Tief auftauchen würde, erwies sich als erfreulicher Irrtum. Die sommerliche Wetterlage blieb. Sonne und Temperaturen um die 20 Grad waren meine täglichen Begleiter. Ein paar Tage lang blies ein ordentlicher Wind. Und der gehört ja schließlich dazu. Zum Meer. Nicht wahr. Was ist schon ein Urlaub an der Ostsee ohne einen stürmischen Nordost. Erst zum Urlaubsende hin kippte das Wetter und bescherte mir einen verregneten Nachmittag.
Zugegeben, was für den Urlauber traumhaft ist, ist für die Natur genauso ein Debakel wie für die Bauern. Die Folgen der andauernden Trockenheit waren auf Rügen allgegenwärtig und mitnichten immer positiv. Außerdem sorgten die sommerlichen Bedingungen dafür, dass sich meine Erwartungen hinsichtlich der Zugvogelbeobachtungen nicht einmal annähernd erfüllten. Nichts da mit ziehenden Kranichen am Himmel oder auf den Feldern rastend. Kraniche und Gänse stellten genauso Ausnahmen dar wie Limikolen oder ziehende Greifvögel. Hier und da ein paar Rot- oder Schwarzhalstaucher, Pfeif- und Eisenten, Starenschwärme - aber im Großen und Ganzen gab es nicht viel zu sehen. Erwähnenswert aber auf jeden Fall meine Begegnungen mit den Steinwälzern aus dem hohen Norden. Ebenso die Eisvögel an den Steilküsten (die sich einfach nicht fotografieren lassen wollten). Das war mehr als Entschädigung für die fehlenden Kraniche und Gänse, aber dazu später mehr. Außerdem hatte ich in den Buchenwäldern Rügens auf eine reichhaltige Pilzvielfalt und entsprechende Fotos gehofft, aber auch das blieb aufgrund der Trockenheit ein Wunsch.
Sollte sich das Geschriebene jetzt irgendwie nach Gejammer anhören ... Okay. Möglich, aber so ist es absolut nicht gemeint. Es sind lediglich Feststellungen, denn ich hatte einen wunderbaren Urlaub, an dem es nichts, aber auch gar nichts auszusetzen gab. Tag für Tag war ich von morgens bis abends unterwegs. Ich habe die Wärme und Sonnenschein genauso genossen wie die fabelhaften Sonnenauf- und -untergänge oder die frisch gepflügten Felder mit den unglaublich großen Starenschwärmen, die schwarze Wolken an den blauen Himmel zauberten, wenn sie aufgeschreckt wurden. Oft saß ich glücklich und zufrieden auf einem großen Stein am Ufer. Den Blick aufs Meer gerichtet. Allein mit dem Wind und dem Rauschen des Meeres. Kein Auto- oder Fluglärm, saubere Luft. Wunderbar. Stundenlang lungerte ich mit Blick nach unten an den Blockstränden rum, um mehr oder weniger erfolgreich nach neuen Stücken für unsere Fossiliensammlung Ausschau zu halten, was meine Halswirbelsäule nicht immer zu schätzten wusste, aber jut. Mal bestaunte ich die herrlichen Ausblicke von den Hügeln der Zickerschen Berge oder dem Schafberg über die halbe Insel - umgeben von uralten Weißdornbüschen und wogendem Grasland. Oder ich weilte im Wald. Bezaubert vom dunklen Grün im Spiel von Licht und Schatten, hier und da von einem uralten Baumriesen durchbrochen, der unendlich viel zu erzählen hätte, wenn er denn könnte ...
Und eine ganz besondere Freude empfand ich angesichts der vielen alten Birnen- und Apfelbäume an den Feldwegen. Manchmal wehte mir der Apfelduft schon von weitem in die Nase und weckte Kindheitserinnerungen an den Garten meiner Großeltern. Natürlich habe ich jeden Apfel gekostet - was für ein Genuss! Gepaart mit der wiederholten Erkenntnis, welch geschmacklose Einheitsware wir in unseren Supermärkten angeboten bekommen. Zum ersten Mal bin ich mit dem Rasenden Roland über einen Teil der Insel gedüst und weiß jetzt, dass das tatsächlich wahnsinnigen Spaß macht. Ebenso sicher weiß ich aber auch, dass ich nie wieder in diesem offenen Wagen sitzen und mich vom stinkenden Rauch einnebeln bzw. einstauben lassen werde. Tja. Ja, ich habe - mal wieder - eine tolle Zeit auf "meiner" Insel verbracht, von der ich keine Stunde missen möchte. Ich wünsche allen, die hierher gefunden haben, viel Spaß beim Lesen und Betrachten der Fotos.