In den Zickerschen Bergen


In den Zickerschen Bergen.
In den Zickerschen Bergen.

Noch fünf Tage und meine Herbstreise ist zu Ende. Zeit für mich, einen meiner absoluten Lieblingsorte zu besuchen: die Zickerschen Berge. Das auch und vor allem, weil der Wetterbericht eine Abkühlung mit Regen ankündigt und das kommende Wochenende wegen des 3. Oktobers ein langes mit vielen Menschen sein wird. Und die Zickerschen Berge - das sei gesagt - sollte man unbedingt erstens bei schönem Wetter und zweitens bei wenig Publikumsverkehr erkunden. Das heißt, möglichst das Wochenende sowie Feiertage zu meiden und einen Schönwetterwochentag dafür zu nutzen, und zwar einen ganzen Tag!

Strandübergang in Lobbe.
Strandübergang in Lobbe.

Bevor ich durch den Küstenschutzwald zum Abzweig nach Gager und Groß Zicker marschiere, mache ich einen Abstecher zum Strand am Lobber Ort. Ich bin extra früh aufgestanden, um noch einmal den Sonnenaufgang zu erleben. Als ich am Strandübergang ankomme, ist es noch ziemlich dunkel. Wie beim ersten Mal bin ich allein, setze mich auf einen Stein und genieße die Ruhe genauso wie das Beobachten des sich nun permanent verändernden Himmels. Nach einer knappen Stunde hat die Sonne ihren Weg über den Horizont vollzogen und ich setze mich in Bewegung. Gegen 09.30 Uhr erreiche ich Gager, einen typischen, rüganischen Ort am Fuße der Hügel mit kleinem Hafen und sehenswerten alten Häusern, die allerdings zunehmend von kühlen Neubauten in den Schatten gestellt werden. Ich mache erstmal eine Runde durch den Hafen und schaue mir die Öffnungszeiten des am Kai gelegenen Restaurants an, denn hier möchte ich am späten Nachmittag einkehren. Danach wähle ich den Weg, der unmittelbar am Bodden entlang führt und mir immer wieder herrliche Ausblicke bis hinüber zum Schafberg bei Middelhagen und das Reddevitzer Höft beschert. Betritt man von Gager aus das Naturschutzgebiet der Zickerschen Berge, hat man links freie Sicht auf die Hügel und rechts die Gelegenheit, an das Boddenufer zu gehen. Unter zwei reichlich alten Wildbirnen lässt es sich gut Pause machen oder nach Fossilien Ausschau halten, bevor man seinen Weg fortsetzt.

Im Hafen von Gager.
Im Hafen von Gager.

Anschließend steigt man direkt in die Hügel ein und von jetzt an heißt es: Augen aufmachen! Von jedem "Gipfel" aus bietet sich ein anderes, phantastisches Panorama und es lohnt sich, immer wieder stehen zu bleiben und den Blick schweifen zu lassen. Die Gegend zwischen Gager, Nonnenloch und Groß Zicker gehört für mich zu den schönsten Flecken Deutschlands. Ein von der letzten Eiszeit geschaffenes Juwel mit einer einzigartigen Flora und Fauna, welches nach der Wende glücklicher Weise durch die Arbeit engagierter Naturschützer einer Nutzung als Golfplatz entzogen wurde. Mein Dank gilt heute noch jenen Menschen, die dafür sorgten, dass dieses Kleinod der Allgemeinheit erhalten geblieben ist.

Am Bodden bei Gager.
Am Bodden bei Gager.

Genauso wie auf den Hügeln bei Klein Zicker sind auch hier immer noch viele Blüten zu sehen. Die Echte Goldrute reckt neben den zierlichen Rundblättrigen Glockenblume ihre gelben Blütenkerzen in die Höhe und hier und da ist sogar noch blühender Augentrost zu sehen. Auf einem Greiskraut sitzen kleine Falter und leben ihre letzten Tage. Gut, im Gegensatz zum Blütenmeer des Frühlings und Sommers gibt es eher wenig Farbe auf den Wiesen, aber immerhin. Und außerdem ersetzt das sich nun färbende Laub der Bäume die fehlenden Farbtupfer im Grasland. Am Himmel rüttelt ein Turmfalke und hält nach Beute Ausschau - was für ein genialer Flugkünstler. Und etwas entfernt kreisen 7 Raufußbussarde, die auf dem Weg in den Süden sind. In einer windgeschützten Bucht haben sich ungefähr 50 Höckerschwäne eingefunden. Von Weitem wirken sie wie schneeweiße Wattebäusche, die jemand auf das Wasser gelegt hat.

Am Nonnenloch.
Am Nonnenloch.

Durch ein kleines Wäldchen, welches vorwiegend aus Haselnussbüschen besteht, gelangt man zum sogenannten Nonnenloch, wo man zum Strand hinabsteigen kann. Eine steile Holztreppe führt hinunter zum Ufer, an dem man von riesigen Findlingen begrüßt wird - beeindruckende Visitenkarten der Eiszeit. Mit den Gletschern wurden nicht nur die Findlinge aus Schweden oder Norwegen hierher verfrachtet, sondern auch sehr viel Lohnenswertes für Fossiliensammler. Wer sich für Steine und Fossilien interessiert, sollte also reichlich Zeit für das Umschauen einplanen. Doch Vorsicht! Die Steilküsten rechts und links des Abstieges sind sehr instabil und von daher nicht ungefährlich. Und kein noch so tolles Fossil ist es wert, dass man sein Leben aufs Spiel setzt!

 

Am Nonnenloch weht fast immer ein starker Wind. Mit lautem Getöse brechen sich die Wellen an den Steinen im Wasser und rollen kraftvoll ans Ufer, das dadurch ständigen Veränderungen ausgesetzt ist. Ich setzte mich etwas abseits auf einen großen Stein und schaue eine Weile dem unablässigen Treiben von Wind und Wellen zu. Es ist ein unbeschreibliches Glück, Zeit zu haben und an diesem Ort sein zu dürfen. Ja. Das ist es. Irgendwann erinnert mich ein knurrender Magen daran, dass meinereiner auch mal was essen sollte. Außerdem plagt mich ein ziemlicher Kaffeedurst.

Pfarrwitwenhaus in Groß Zicker.
Pfarrwitwenhaus in Groß Zicker.

Also Treppe wieder hoch und ab nach Groß Zicker, das auf der anderen Seite der Zickerschen Berge liegt - Gager quasi gegenüber. Aus den Hügeln kommend stolpert man regelrecht über das erste Restaurant im Ort, das Taun Hövt. Wobei das "erste" nicht nur für die Lage, sondern auch für die Küche steht, denn die ist hervorragend. Aber zu meinem Leidwesen ist jeder Platz besetzt und es sieht nicht so aus, als hätte es irgendjemand eilig. Also marschiere ich durch den Ort, vorbei am alten Pfarrwitwenhaus und anderen wunderschönen Grundstücken zum ortsansässigen Fischer. Gestärkt durch ein deftiges, frisches Fischbrötchen sowie einen starken Kaffee mache ich mich quer durch die Hügel auf nach Gager, genieße hier und da auf einer Bank sitzend die grandiose Aussicht bis nach Klein Zicker oder Göhren. Kurz vor halb 5 lande ich schließlich wieder im Hafen von Gager und genehmige mir ein ausgiebiges frühzeitiges und fischreiches Abendbrot, um mich dann auf den Rückweg zu machen, der mich noch einmal an Strand zwischen Thiessow und Lobbe führt.