Sassnitz und die Kreideküste


Sassnitz
Sassnitz

Der Plan für diesen Tag lautete folgendermaßen:

Möglichst früh nach Sassnitz aufbrechen. Auto am Beginn der Kreideküste in Sassnitz abstellen. Wanderung durch den Nationalpark bis zum Abstieg am Kieler Bach und am Fuß der Kreidefelsen zurück nach Sassnitz, um den Hafen zu besuchen.

Buchenwald im Nationalpark Jasmund.
Buchenwald im Nationalpark Jasmund.

Hm. Tatsächlich verlief der Tag dann so:

Irgendwie kommen wir alle nicht aus dem Knick. Gute zwei Stunden später als angedacht sind wir auf dem Weg nach Sassnitz. Diverse Staus sorgen dafür, dass wir den Ort erst gegen Mittag erreichen. Dort stellt sich heraus, dass der Parkplatz am Anfang der Kreideküste in einen Nationalparkstützpunkt umgewandelt wurde und wir uns eine andere Parkmöglichkeit suchen müssen. Also zurück in den Ort. Wir folgen dem erstbesten Parkplatzschild und landen neben dem Tierpark.

 

Angesichts unserer Verspätung können wir die Wanderung zum Kieler Bach vergessen. Sabrina meint, wir sollten lieber gleich zum Hafen gehen. Ich hingegen bestehe stur auf einen Abstecher zur Kreideküste. Letztendlich entschließen wir uns, auf dem kürzesten Weg zur Kreideküste zu marschieren und folgen dem entsprechenden Wegweiser, der uns eine Stunde lang auf verschlungenen Pfaden durch den Wald führt. Bäche plätschern in kleinen, schattigen Schluchten dahin. Der Buchenwald wirkt erhaben wie eine Säulenhalle. Vögel zwitschern. Die Luft ist klar und rein. Sabrina und ich, wir schauen uns aufmerksam um, denn normaler Weise wartet der Jasmunder Wald um diese Jahreszeit mit einer Vielzahl von Pilzen auf. Wir lieben Pilze. Nicht nur die, die man in den Topf oder in die Pfanne hauen kann, sondern alle. Weil sie so schön sind. So vielgestaltig. Und interessant. Die phantastische Welt der Pilze begeistert uns beide immer wieder aufs Neue.

Tropfender Schillerporling  (Inonotus dryadeus).
Tropfender Schillerporling (Inonotus dryadeus).

Weil es seit Wochen nicht geregnet hat, sieht es allerdings ziemlich mau aus, was die Pilze angeht. Bis auf ein paar arg vertrocknete Satansröhrlinge und einen wunderschönen Tropfenden Schillerporling entdecken wir nichts Pilziges. Wie der Satansröhrling ist der Tropfende Schillerporling eine Seltenheit, die unsereins nicht alle Tage zu Gesicht bekommt. Von daher ... immerhin. Nach einer Stunde kommen wir da an, wo wir unseren Kreideküstentag ursprünglich beginnen wollten: Am Parkplatz, der nun ein Nationalparkstützpunkt ist. Na gut. Das Wetter ist phantastisch. Strahlend blauer Himmel. Sonnenschein. Wärme. Und an der Kreideküste wimmelt es nur so von Menschen. Okay. Das kann man nicht ändern.  In der Hoffnung, einen Teil der Kreideküste ohne Menschen fotografieren zu können, begebe ich mich zum Spülsaum. Dort finde ich es lohnender, mich für die Fotos auf einen großen Stein zu stellen. Abgelenkt von den vielen Menschen, den Fokus auf die gleißenden Kreidefelsen gerichtet, bemerke ich nicht, dass der Stein nur oberflächlich abgetrocknet ist. Kaum bin ich auf den Stein gestiegen, kommen meine Füße ins Rutschen und ich lande mehr als unsanft auf dem Blockstrand. Vor Schreck vergesse ich das Luftholen, aber nicht, meine Kamera in die Höhe zu halten. In Sekundenschnelle befinde ich mich völlig verrenkt zwischen ein paar großen Steinen.

Kreideküste bei Sassnitz.
Kreideküste bei Sassnitz.

Den Hintern im Wasser, die Hände in der Luft, vor Schreck den Tränen nahe hänge ich da nun und komme alleine nicht mehr raus. Christoph muss mich regelrecht raushieven, während Sabrina erstmal eine Meckersalve loslässt. Von wegen Hauptsache, die Kamera bleibt ganz. Und wie ich das wieder gemacht habe (als würde ich ständig stürzen ...). Und und und. Andere Strandbesucher bleiben stehen und finden unsere Vorstellung aus unerfindlichen Gründen amüsant. Ich für meinen Teil bin alles andere als amüsiert. Mein linkes Schienbein ist aufgeschürft und ziemlich dolle geprellt, mein rechtes Knie schmerzt, meine Ellenbogen ebenso. Mir ist schlecht. Meine Hosenbeine sind grün. Die Ärmel meines weißen T-Shirts ebenso. Und mein Hinterteil klatschnass. Na toll. Ich muss mich erstmal hinsetzen. Und zwar lange. Sehr lange sogar.  Die Lust auf eine kleine Wanderung ist mir vergangen. Das wars dann mit Kreideküste, Fossilien suchen und so. Verärgert über mich selbst und meine Unaufmerksamkeit sitze ich schweigend in der Sonne (und wünsche mir - verdammt noch mal - eine Zigarette!).

 

Sabrina liegt währenddessen in der Sonne und fragt immer wieder, ob alles okay ist. Christoph lungert rum, fotografiert und wühlt in den Steinen. Als meine Sachen trocken sind, gehen wir auf den kürzesten Weg zum Hafen und schnabulieren erst einmal Kaffee und Kuchen. Das brauchen wir jetzt. Beharrlich ignorieren wir meine dreckigen Klamotten, die anderen Leuten jedoch nicht verborgen bleiben, so dass ich ein paar seltsame Blicke ernte. Aber was solls. Es gibt Schlimmeres als eine schmutzige Hose. Außerdem bin ich einfach nur froh und dankbar, dass ich mir nichts gebrochen habe und die Kamera heil geblieben ist. Anschließend zeigen wir Christoph den Hafen und die Sassnitzer Altstadt mit ihren schönen alten Häusern und den schmalen Gassen, in denen man sich jetzt im Herbst eher am Mittelmeer als an der Ostsee wähnt und wo künstlerische Details sowie liebevoll gestaltete Gärten das Fotografenherz höher schlagen lassen. Wie schön es in der Sassnitzer Altstadt tatsächlich ist, kann man sich kaum vorstellen, wenn man über die Hauptstraße nach Sassnitz reinfährt, die von einigen Ruinen, Geschäften und Hotels aus DDR-Zeiten dominiert wird. Man wähnt sich wirklich in einem anderen Ort, sobald man sich in den engen Gassen bewegt. Von daher sei jedem der Besuch der Altstadt ausdrücklich empfohlen ...