Tja, Migration - der Motor der Artenvielfalt auf unserem wunderbaren Planeten - hat viele Gesichter und Gestalten. Manchmal hat sie sogar Flügel wie der Buchsbaum-Zünsler. Wunderschön anzusehen und trotzdem für jeden Buchsbaumbesitzer das Grauen schlechthin.
2006 kam er mit in Südostasien gezogenen Buchsbäumen in Deutschland an und hat es mittlerweile bis nach Berlin und noch ein Stück weiter geschafft. Der heiße, trockene Sommer 2018 bot ihm hervorragende Bedingungen, denn Temperaturen um die 30 Grad sind das, was ein Buchsbaum-Zünsler mag und braucht. Noch nie zuvor habe ich in Staaken derart viele von ihnen gesehen. Mit seinem dunkelbraun-weiß gefärbten und seidig schimmernden Flügelkleid ist der Buchsbaum-Zünsler eine ausgesprochen schöne Erscheinung. Und obwohl er eine Flügelspannweite von bis zu 45 mm erreichen kann, wirkt er grazil und elegant. Tagsüber verbirgt er sich gern unter Blättern, die nicht zu einem Buchsbaum gehören, sitzt aber auch reglos an Hauswänden. Bei der Nahrungssuche oder wenn er aufgescheucht wird, entpuppt er sich als flotter Flieger, dem man kaum nachstellen kann. Wovon sich die Falter ernähren, darüber ist in der Literatur so gut wie nichts zu finden. In den vergangenen Wochen habe ich jedoch mehrere Buchsbaum-Zünsler an den Blüten verschiedener Steinquendelarten sowie denen der Katzenminze Nektar saugen sehen.
Sooo. Das waren die positiven Informationen, wenn man so will. Denn die geflügelte Schönheit wird in Gärten, Parkanlagen oder Friedhöfen mit Buchsbäumen gar nicht gern gesehen und beschert so manchem Gartenbesitzer schlaflose Nächte.
Dort, wo die nur ca. acht Tage lang lebenden Weibchen auftauchen, sehen Buchsbäume innerhalb kurzer Zeit nämlich so aus wie der auf dem nebenstehenden Foto. Das Weibchen legt um die 150 Eier und das ausnahmslos an Buchsbäumen. Nach gerade mal 3 Tagen schlüpfen die Raupen und machen sich über den bis dahin satt grünen Busch her. Gelbe Blättchen und diverse feine Gespinste dazwischen sind ein erster Hinweis darauf, dass ein Buchsbaum-Zünsler-Weibchen den Weg in den eigenen Garten gefunden hat. In heißen, trockenen Sommern können bis zu vier Generationen das Licht der Welt erblicken. Manchmal überwintert die letzte Generation als Räupchen in einem festen Kokon und kann bei entsprechenden Temperaturen bereits früh im Jahr an den immergrünen Gewächsen ihr gefräßiges Werk tun.
Die Ratschläge dafür, was man bei einem Befall tun kann, reichen vom Absaugen der Raupen mit dem Staubsauger bis hin zum Einsatz von Chemie. Der Einsatz von Chemie sollte sich meiner Meinung nach von selbst verbieten - im Interesse all der anderen Gartenbewohner und im eigenen, denn Chemie ist für niemanden gut. Ein Trost könnte sein, dass sich die Buchsbäume nach einem kräftigen Rückschnitt manchmal erholen. Manchmal wohlbemerkt. Und eine Garantie, dass die Buchsbaum-Zünsler ihn im Folgejahr in Ruhe lassen, gibt es ebenfalls nicht.
An dieser Stelle sei gesagt, dass wir die Einwanderung des Buchsbaum-Zünslers unserem Geiz zu verdanken haben. Einem Geiz, der dazu führt, billige Pflanzenware aus dem Ausland zu kaufen, um ein paar Euro zu sparen. In einer hiesigen Gärtnerei herangezogene Buchsbäume hätten aufgrund des Arbeitsaufwandes zwar mehr gekostet als der Busch aus Südostasien, aber der Buchsbaum-Zünsler hätte halt nicht darin gesessen. Auch sollten sich sowohl Gartenbesitzer als auch die für Grünanlagen zuständigen Behörden fragen, ob es denn wirklich Buchsbaum sein muss, der unsere Augen "verwöhnt", sieht man mal von historischen Garten- oder Parkanlagen ab. Ein Buchsbaum bietet keinerlei Nahrung für Insekten oder Vögel. Er dient höchstens dann und wann als Nistplatz, nicht mehr und nicht weniger. Es gibt diverse Gehölze, auch immergrüne wie Liguster oder Eibe, die locker an seine Stelle treten können und mit ihren Blüten sowie Früchten einen wichtigen Beitrag für unsere tierischen Mitbewohner darstellen.
Apropos tierische Mitbewohner: Obwohl Buchsbäume über 70 verschiedene Giftstoffe enthalten, die sich in der Nachkommenschaft der Buchsbaum-Zünsler einlagern, haben Vögel wie beispielsweise die Blaumeise oder der Spatz über die Zeit die Raupen des Falters für sich als Nahrungsquelle entdeckt. Wer in seinem Garten eine artenreiche Vogelwelt hat, dürfte über kurz oder lang deshalb weder Chemie noch einen Staubsauger für das Beseitigen des Befalls benötigen, wenn er weiterhin seiner Buchsbaumleidenschaft frönen möchte. Auf einem meiner Spaziergänge habe ich außerdem beobachten können, dass Buchsbaum-Zünsler auch von Spinnen nicht verschmäht werden. Wie auf den unteren Fotos zu sehen ist, haben zumindest Kreuzspinnen kein Problem mit ihnen. Für naturinteressierte Menschen wie mich ist der Buchsbaum-Zünsler übrigens ein Highlight, lässt er mich doch Evolution quasi live erleben, was die Anpassungsfähigkeit der einheimischen Vogelwelt und Spinnentiere angeht.