Kreuzotter (Vipera berus)


Kreuzotter (Vipera berus), 28.04.2018, Darß/Mecklenburg-Vorpommern
Kreuzotter (Vipera berus), 28.04.2018, Darß/Mecklenburg-Vorpommern

Jahrelang hielt ich nach ihnen Ausschau. Auf dem Darß. Auf Rügen. Im Berliner Umland. Überall dort, wo die Bedingungen für Kreuzottern passend schienen, suchte ich nach ihnen. Erfolglos. Bis zum 28. April 2018. Mal wieder war ich in Prerow und dort hört man regelmäßig von den Schlangen, die sich insbesondere im Frühjahr auch mal in die Gärten oder auf Spielplätze oder den Deichweg verirren. Kreuzottern? Ach. Die gibt es hier überall. Als Beweis dafür, dass es sie auf dem Darß tatsächlich in großer Zahl gibt, können diverse Fotos in meinem Smartphone herhalten - allesamt von meiner Tochter gemacht (einige kann man auf dieser Seite bestaunen, weil sie die verschiedenen Farbvarianten der Kreuzotter so schön wiedergeben).

Kreuzotter (Vipera berus), 28.04.2018, Darß
Kreuzotter (Vipera berus), 28.04.2018, Darß

Nur, wenn meinereine den Darß unsicher machte, zeigten sie sich nie. Mal war es zu warm, mal zu kalt, mal zu windig. Oft habe ich sie bestimmt einfach nur nicht entdeckt. Der Morgen des 28. April 2018 verhieß einen sonnigen, nicht zu heißen und nahezu windstillen Tag. Perfektes Wetter für einen neuen Versuch. Also marschierte ich gegen 9 Uhr los und stand eine gute Stunde später tatsächlich vor meiner ersten Kreuzotter! Ein ca. 50 cm langes, schwarz gefärbtes Tier erklomm vor meinen Augen gemächlich einen von der Morgensonne beschienenen Grashügel. Und ich? Tja. Ich erstarrte zur sprichwörtlichen Salzsäule, war innerhalb von Sekunden schweißgebadet und konnte kaum atmen. Aber nicht vor Freude oder Aufregung, sondern vor Angst. Kein Witz. Mich plagt nämlich eine ausgeprägte Angst vor Schlangen. Keine Ahnung, warum, aber es ist so. Okay. Da waren wir nun. Die Kreuzotter. Und ich. Als mir klar wurde, dass ich in die Knie gehen musste, um diese Begegnung fotografisch festzuhalten, hatte ich ein Problem. Denn in meiner angstgesteuerten Phantasie wimmelte es um mich herum nur so von Kreuzottern, die darauf warteten, dass ich mich ihnen ausliefern würde. Immer wieder mahnte ich mich zur Ruhe, ließ mir Zeit, bis die positiven Gefühle diese bescheuerte Angst etwas in den Hintergrund schob. Na ja. Glücklicher Weise hatte meine erste Kreuzotter zwischenzeitlich nicht die Flucht ergriffen. Letztendlich ging ich in die Hocke und fotografierte drauf los, hatte aber Mühe, die Kamera ruhig zu halten.

Kreuzotter (Vipera berus), 03.05.2020, Darß/Mecklenburg-Vorpommern
Kreuzotter (Vipera berus), 28.04.2018, Darß/Mecklenburg-Vorpommern

Ganz schlimm wurde es, als die Schlange mich bemerkte und sich aufrichtete. Meine Güte, das waren Momente, die ich niemals vergessen werde. Hin- und hergerissen zwischen Angst und Begeisterung zog ich mich nach ein paar Fotos ein Stück zurück, um die Schlange nicht weiter zu stören. Dann dachte ich erst einmal ziemlich lange darüber nach, ob ich den vor mir liegenden, recht schmalen Wanderweg durch den Wald weitergehen oder doch lieber zum breiten Hauptweg zurückkehren sollte. Verdammt! Ich hatte es doch so gewollt und mir diese Schlangenbegegnung schon ewig gewünscht. Sollte ich mir jetzt wegen dieser blöden Angst vielleicht weitere Kreuzottern entgegen lassen? Nö. Am Ende habe ich mich für den Weg durch den Wald entschieden, den ich langsam und sehr, sehr aufmerksam durchschritt, ohne aber eine weitere Kreuzotter zu entdecken. Als ich nach einer halben Stunde am Nothafen ankam, musste ich erstmal ein Päuschen einlegen, um mich zu beruhigen. Ehrlich gesagt, hätte ich am liebsten drauf los geheult ... In den folgenden Stunden bescherte mir der Nationalpark  zwei weitere wunderschöne Schlangen. Beide Tiere wiesen ebenfalls die schwarze Färbung auf, die auf dem Darß neben grauen, rötlich und bräunlichen Tieren mit dem bekannten Zick-Zack-Muster sowie rein roten Tieren am häufigsten auftritt. Bei einem handelte es sich um ein ca. 70 cm langes, stattliches Weibchen, welches in einiger Entfernung vom Weg auf einem Schilfhaufen Sonne tankte. Die zweite, ca. 40 cm lange Kreuzotter hatte es sich am Rand eines stark begangenen Weges bequem gemacht und ließ sich von den vorbeigehenden Menschen nicht stören.

Kreuzotter (Vipera berus), 28.04.2018, Darß/Mecklenburg-Vorpommern
Kreuzotter (Vipera berus), 28.04.2018, Darß/Mecklenburg-Vorpommern

Allen, die mit Kindern und/oder Hunden auf dem Darß unterwegs sind, sei der Rat gegeben, ihre zwei- oder vierbeinigen Begleiter gut im Auge zu behalten. Wie auf dem einen Bild zu sehen ist, sonnen sich die Schlangen im Frühjahr tatsächlich unmittelbar am Wegesrand. Werden Kreuzottern bedroht, ergriffen oder in die Enge getrieben, beißen sie durchaus zu und ein Kreuzotternbiss ist alles andere als harmlos. Kreuzottern sind Giftschlangen! Für Kinder, kranke Erwachsene sowie Hunde kann ein Kreuzotternbiss durchaus tödlich ausgehen, zumindest aber schwerwiegende, schmerzhafte gesundheitliche Folgen haben. Dass unsere hübschen Giftschlangen alles andere als  aggressiv und beißlustig sind, beweisen nicht nur mein Erlebnis und meine Fotos, sondern ebenso die überaus selten vorkommenden Bissunfälle mit Kreuzottern. Und noch eins: Aus diversen Gesprächen mit Menschen, die den Darß besuchen, weiß ich, dass die schwarzen Kreuzottern meist für ungefährliche Ringelnattern gehalten werden. So manches Kind, aber auch so mancher Erwachsener ist beim Anblick der vermeintlichen Ringelnatter versucht, das Tier zu fangen oder lässt den Hund in die Nähe der Schlange. Lassen Sie so etwas einfach sein! Selbst wenn es sich um eine Ringelnatter handeln sollte - sie steht genauso wie die Kreuzotter in ganz Deutschland unter Naturschutz, wobei die Kreuzotter den höchsten Schutzstatus genießt - egal, ob innerhalb oder außerhalb von Schutzgebieten. Außerdem befinden Sie sich in einem Nationalpark und sind dort Gast der Natur. Kein Lebewesen darf in diesem Schutzgebiet gestört oder gar gefangen werden. Betrachten Sie das Tier aus einiger Entfernung, machen Sie Fotos, erklären Sie Ihren Kindern, was sie vor sich haben. Erfreuen Sie sich einfach am Anblick der Schlangen und genießen Sie das Erlebnis. Ganz zum Schluss finden Sie ein paar Fotos mit schwarzen Kreuzottern und Ringelnattern. Sie werden feststellen, dass sich die Schlangen nur auf den ersten Blick sehr ähnlich sehen.

 

PS: Ich habe übrigens bewusst darauf verzichtet, Kreuzottern, ihre Lebensweise und Lebensräume genau zu beschreiben. Es gibt im Internet unzählige, unheimlich informativ gestaltete Seiten über diese Schlange, mit denen ich keinesfalls mithalten könnte. Und eines sei noch gesagt: Am Ende dieses Tages war ich fix und fertig, ehrlich. Aber auch ziemlich stolz darauf, dass ich meine irrationale Angst vor Schlangen doch ganz gut in den Griff bekommen habe.

Farbvarianten der Kreuzotter

Ringelnatter und schwarze Kreuzotter

Kleiner Tipp: Wenn Ihnen eine schwarze Schlange begegnet, schauen Sie immer auf den Kopf. Die Ringelnatter hat im Nacken zwei halbmondförmige weiße bis gelbe Flecken, die von einem schwarzen Band begrenzt werden und eine gelbliche Kopfunterseite. Das sind die augenscheinlichsten Unterscheidungsmerkmale. Andere sind die Pupillen und die Augenfarbe, wie Sie auf den Fotos sehen können. Die Pupille der Ringelnatter ist große, schwarz und rund. Die der Kreuzotter geschlitzt und die Augenfarbe ist rötlich. Die Grundfarbe der Ringelnattern ist Grau - mal mehr, mal weniger dunkel bzw. hell - und nicht so tiefschwarz wie eine schwarzfarbige Kreuzotter. Die Ringelnatter kann schwarze Streifen oder Punkte aufweisen. Es gibt noch einige andere Unterscheidungsmerkmale, die unterwegs jedoch nicht so schnell zu erfassen sind (Kopf- und Körperform usw.). Insbesondere dann, wenn die Schlangen schnell verschwinden und das ist fast immer der Fall.