Waldeidechse (Zootoca vivipara)


Weibliche Waldeidechse (Zootoca vivipara), 29.06.2020, Darß/Mecklenburg-Vorpommern
Weibliche Waldeidechse (Zootoca vivipara), 29.06.2020, Darß/Mecklenburg-Vorpommern

Die Waldeidechse ist das Nordlicht unter den Reptilien, denn nur sie hat es geschafft, den hohen Norden zu erobern: ganz Skandinavien, die Küste des Eismeeres und der Barentsee. Ihr Verbreitungsgebiet ist riesig und umfasst ganz Europa bis auf den Mittelmeerraum sowie Teile Asiens bis nach Japan. Dementsprechend unterschiedlich gestalten sich ihre Lebensräume. Vorzugsweise lebt sie im Wald, wie der Name unschwer erkennen lässt. Dass sie in manchen Gegenden "Bergeidechse" oder "Mooreidechse" genannt wird, macht deutlich, dass sie in den Bergen und in Mooren ebenfalls zu Hause ist. Daneben besiedelt sie Straßenränder oder Dünengebiete genauso wie Wiesen und andere Areale mit den richtigen Bedingungen.

Männliche Waldeidechse (Zootoca vivipara), 04.09.2020, Darß/Mecklenburg-Vorpommern
Männliche Waldeidechse (Zootoca vivipara), 04.09.2020, Darß/Mecklenburg-Vorpommern

 Auf den ersten Blick wird sie oft für eine Zauneidechse gehalten. Schon allein deshalb, weil viele Menschen gar nicht wissen, dass in Deutschland auch noch andere Eidechsenarten vorkommen. Auf den zweiten Blick sieht man, dass sie kleiner und gedrungener ist und die prächtigen Grüntöne, die die Zauneindechsen-Männchen zieren, fehlen. Spätestens beim Anblick der Jungtiere kommt man endgültig ins Stutzen, denn sie sind sehr dunkel, wirken nicht selten schwarz. Mir sind die interessanten Reptilien bisher lediglich an manchen Stränden Rügens sowie in einigen Dünengebieten auf dem Darß begegnet. Und dort sehen die erwachsenen Tiere so aus wie auf den Fotos. In meinen Büchern steht, dass die Färbung der erwachsenen Waldeidechsen sehr variabel ist. Es ist also nicht gesagt, dass Ihnen eine Waldeidechse über den Weg huscht, die genauso aussieht wie die auf meinen Fotos. Es ist übrigens ziemlich schwer, Waldeidechsen zu fotografieren, denn sie sind außerordentlich scheu und verschwinden blitzschnell, sobald sie eine Bewegung in der Nähe wahrgenommen oder etwas gehört haben. Waldeidechsen können nämlich hervorragend sehen und hören. Wenn man also keine Zeit hat, geduldig auf die Tiere zu warten oder die Gelegenheit fehlt, sich oft in ihren Revieren aufzuhalten, gelingt nur selten ein gutes Foto im Vorbeigehen. Das ist auch der Grund dafür, warum sich auf dieser Seite einige Handybilder befinden, die nicht die Qualität der Kamerafotos haben. Freundlicher Weise wurden mir die Handyfotos von meiner Tochter zur Verfügung gestellt. Dort, wo sie wohnt, leben Waldeidechsen quasi vor ihrer Haustür.

Junge Waldeidechse (Zootoca vivipara), 28.06.2020, Darß/Mecklenburg-Vorpommern
Junge Waldeidechse (Zootoca vivipara), 28.06.2020, Darß/Mecklenburg-Vorpommern

Die Waldeidechse mag es kühler und feuchter als ihre größere Verwandte, die Zauneidechse. Wasser sowie große Temperaturunterschiede zwischen Tag und Nacht machen ihren Lebensraum perfekt, sofern er ausreichend Nahrung, Sonnenplätze und Unterschlupf vor Feinden und für die Winterruhe bietet. Seen, Gräben, Bäche oder schilfbewachsene Feuchtgebiete befinden sich in unmittelbarer Nähe der Reptilienreviere. Wobei Waldeidechsen zwar reviertreu sind, sich aber im Gegensatz zu anderen Eidechsenarten nicht besonders aggressiv mit Artgenossen anlegen, um dieses zu verteidigen. Als Sonnenplatz zum Aufwärmen und Ausruhen genügen ihnen Steine oder Holzpfähle am Wegesrand, während Nagerbaue oder selbst gegrabene Löcher als Überwinterungsplatz dienen. Hauptnahrungsquelle sind Insekten genauso wie Fliegen, Ameisen, Spinnen, Läuse und allerlei kleines Getier, welches mit Hilfe des ausgezeichneten und bereits erwähnten Hör- und Sehvermögens aufgespürt werden. Andererseits haben viele Tiere die kleine Echse zum Fressen gern. Sie stehen auf dem Speiseplan unzähliger Vogelarten, von Mardern und Wildschweinen, insbesondere jedoch auf dem von Kreuz- und Schlingnatter, mit denen sie sich die Lebensräume teilen. Das Jungtier auf dem nebenstehenden Foto hat zum Beispiel schon einmal Bekanntschaft mit einem Beutegreifer gemacht, wie man unschwer an der Rumpfverletzung erkennen kann. Dass der Mensch den Waldeidechsen durch die Zerstörung ihrer Lebensräume den größten Schaden zufügt, muss wohl nicht weiter ausgeführt werden. Mit der Kreuz- und Schlingnatter hat die Waldeidechse übrigens nicht nur den Lebensraum gemeinsam, sondern auch, dass sie lebendgebärend ist. Genauer gesagt sind die Jungen nach der Geburt nur noch von einer dünnen Eihülle umgeben, die sie schnell abstreifen. In den südlichen Teilen ihres Verbreitungsgebietes gibt es allerdings auch Populationen, die wie andere Eidechsen Eier in die Erde legen, um sie von der Sonne ausbrüten zu lassen. Dass die Waldeidechse, je nachdem wie sich die Bedingungen in ihrem Lebensraum gestalten, lebendgebärend oder eierlegend sein kann, ist etwas ganz Besonderes und unglaublich interessant, finde ich. Überhaupt. Ich habe festgestellt, dass ich den kleinen Tierchen viel zu wenig Aufmerksamkeit geschenkt habe und werde auf meinen zukünftigen Spaziergängen in ihrem Revier mehr auf  das Nordlicht unter den Reptilien achten.

 

Als letztes folgen Fotos von jungen und erwachsenen Waldeidechsen, die der Zauneidechse gegenüber gestellt werden, um die Unterschiede deutlich zu machen. Ich wünsche viel Freude beim Betrachten.