Der Grauschnäpper (Muscicapa striata)


Obwohl Grauschnäpper (noch) nicht selten sind, sind sie eher schwer zu entdecken, 17.08.2019, Sommerbad Staaken/Berlin.
Obwohl Grauschnäpper (noch) nicht selten sind, sind sie eher schwer zu entdecken, 17.08.2019, Sommerbad Staaken/Berlin.

Im Grauschnäpper (Muscicapa striata) sind sämtliche Merkmale der Fliegenschnäpper vereint: Große Augen an einem großen Kopf, kurze Beine, kleine Füße und ein Schnabel, der perfekt zum Erbeuten von Insekten geeignet ist. In unscheinbares Grau und Braun gekleidet, ist er am dunkel gestrichelten Kopf sowie Bauch zwar gut erkennbar, aber im Gelände gar nicht so leicht zu entdecken. Regungslos und still sitzt der um die 14 Zentimeter große Vogel auf einem Ast, Zaun oder Straßenschild und hält nach Beute Ausschau. Erst wenn er auffliegt, um in der Luft ein Insekt zu erbeuten, wird man auf ihn aufmerksam. Einem Grauschnäpper beim Insektenfang zuzusehen, ist einfach toll. Es sind blitzschnelle, grandiose Jäger, die sowohl mit der Gefiederfarbe als auch ihrer Jagdmethode dem Namen "Grauschnäpper" alle Ehre machen. Grauschnäpper sind Ansitzjäger, die ihre Beute mittels Stoßjagd im Flug schnappen. Von Libellen über Käfer und Schmetterlinge bis hin zu Bienen und Hummeln - alles, was fliegt und in seinen Schnabel passt, wird geschickt im Flug geschnappt. Dann kehrt der Vogel auf den Platz zurück, von dem er gestartet ist und bearbeitet die Beute, indem er sie mit dem Schnabel auf die Ansitzunterlage schlägt. An regnerischen Tagen sammeln die Vögel auch Kleingetier wie Blattläuse oder Spinnen, die an den Blättern oder Ästen sitzen.

Kopf und Unterseite des Grauschnäppers sind dunkel gestrichelt, 08.07.2018, Sommerbad Staaken/Berlin.
Kopf und Unterseite des Grauschnäppers sind dunkel gestrichelt, 08.07.2018, Sommerbad Staaken/Berlin.
Auf der Oberseite trägt ein Grauschnäpper Braun und Grau, 18.07.2019, Sommerbad Staaken.
Auf der Oberseite trägt ein Grauschnäpper Braun und Grau, 18.07.2019, Sommerbad Staaken.

Hat ein Grauschnäpper Beute gemacht, kehrt er auf seinen Ansitz zurück, 13.07.2019, Sommerbad Staaken/Berlin.
Hat ein Grauschnäpper Beute gemacht, kehrt er auf seinen Ansitz zurück, 13.07.2019, Sommerbad Staaken/Berlin.
Auf dem Ansitz wird die Beute durch Schlagen auf die Unterlage bearbeitet, 13.07.2019, Sommerbad Staaken/Berlin.
Auf dem Ansitz wird die Beute durch Schlagen auf die Unterlage bearbeitet, 13.07.2019, Sommerbad Staaken/Berlin.

Grauschnäpper brauchen also Lebensräume, die ihnen sowohl Möglichkeiten zum Ansitzen als auch für den Nestbau bieten und andererseits Freiflächen mit großem Insektenreichtum aufweisen. Ideal sind lichte Wälder sowie parkähnliche Landschaften mit Wiesen, an deren Rand mehrere alte Bäume möglichst mit laubfreien, toten Ästen stehen. Denn der Grauschnäpper muss von seiner Ansitzwarte aus zur Jagd in der Luft starten und sich dann frei bewegen können, ohne von Zweigen oder Gebüsch behindert zu werden. Dort, wo Stürme große Äste von den Bäumen holen und diese am Wiesenrand liegen bleiben dürfen, nutzt er auch dieses Totholz als Ansitz.

Ansitzwarten wie blattlose, tote Äste sind unabdingbare Voraussetzung in einem Grauschnäpper-Revier, 18.07.2019, Sommerbad Staaken/Berlin.
Ansitzwarten wie blattlose, tote Äste sind unabdingbare Voraussetzung in einem Grauschnäpper-Revier, 18.07.2019, Sommerbad Staaken/Berlin.
Aber auch herunter gefallenes Totholz am Wiesenrand kann als Ansitz für die Insektenjagd dienen, 22.07.2019, Sommerbad Staaken/Berlin.
Aber auch herunter gefallenes Totholz am Wiesenrand kann als Ansitz für die Insektenjagd dienen, 22.07.2019, Sommerbad Staaken/Berlin.

Außerdem lassen sich Grauschnäpper auch gern in unmittelbarer Nähe zu den Zweibeinern nieder, wenn die Bedingungen stimmen. Denn so anpassungsfähig wie die Vögel in Bezug auf den Lebensraum sind, zeigen sie sich bei der Wahl des Nistplatzes. Während sie in Wäldern oder Parkanlagen Astgabeln oder Halbhöhlen bevorzugen, werden in Menschennähe Mauernischen und -spalten, Balken und Hohlräume an Gebäuden als Nistplatz angenommen. Hauptsache, das Nest findet Halt und Witterungsschutz. Als Ansitz werden dann Zäune, Mauern, Straßenschilder, nicht allzu hohe Laternen - eben alles, was irgendwie für die Insekten-Ausschau geeignet ist - genutzt. Wer einen naturnahen Garten hat, kann bestimmte Nistkästen für die interessanten Vögel anbringen. Wie die Nistkästen gestaltet sein sollten, lässt sich sicherlich im Internet oder in Büchern in Erfahrung bringen.

Besetztes Grauschnäpper-Nest im Inneren einer Ruine, 03.06.2022, ehemaliges Krankenhaus West-Staaken/Berlin.
Besetztes Grauschnäpper-Nest im Inneren einer Ruine, 03.06.2022, ehemaliges Krankenhaus West-Staaken/Berlin.
Ausgedientes Grauschnäpper-Nest in der Astgabel einer älteren Robinie, 03.08.2019, Sommerbad Staaken/Berlin.
Ausgedientes Grauschnäpper-Nest in der Astgabel einer älteren Robinie, 03.08.2019, Sommerbad Staaken/Berlin.

Gesagt sei, dass Männchen und Weibchen anhand des Gefieders nicht unterschieden werden können. Unterschiede gibt es lediglich hinsichtlich der Größe - das Weibchen ist in der Regel größer als das Männchen. Das wiederum lässt sich am besten im Gelände erkennen, wenn man beide Vögel miteinander vergleichen kann. Grauschnäpper-Paare brüten ein bis zwei Mal im Jahr. Die Brutdauer beträgt knappe zwei Wochen. Nach weiteren gut zwei Wochen verlassen die Jungvögel das Nest und werden anschließend noch eine Weile von den Altvögeln außerhalb des Nestes versorgt. Das Bebrüten und Hudern ist alleinige Sache des Weibchens. Die Fütterung der Jungvögel wird von beiden Altvögeln übernommen. Wird ein zweites Mal gebrütet, übernimmt das Männchen die alleinige Fütterung der ersten Brut, während das Weibchen bereits das zweite Gelege bebrütet.

Grauschnäpper-Nest an der Außenwand einer Ruine, 18.07.2022, ehemaliges Krankenhaus West-Staaken/Berlin.
Grauschnäpper-Nest an der Außenwand einer Ruine, 18.07.2022, ehemaliges Krankenhaus West-Staaken/Berlin.
Bei Familie Grauschnäpper werden die Jungvögel von beiden Elternteilen gefüttert, 19.07.2022, ehemaliges Krankenhaus West-Staaken/Berlin.
Bei Familie Grauschnäpper werden die Jungvögel von beiden Elternteilen gefüttert, 19.07.2022, ehemaliges Krankenhaus West-Staaken/Berlin.

Dieses Nest wurde durch den Stahlträger perfekt vor den Wettern geschützt, 20.07.2022, ehemaliges Krankenhaus West-Staaken/Berlin.
Dieses Nest wurde durch den Stahlträger perfekt vor den Wettern geschützt, 20.07.2022, ehemaliges Krankenhaus West-Staaken/Berlin.
Regungslos wartet der Grauschnäpper-Nachwuchs auf die nächste Fütterung, 19.07.2022, ehemaliges Krankenhaus West-Staaken/Berlin.
Regungslos wartet der Grauschnäpper-Nachwuchs auf die nächste Fütterung, 19.07.2022, ehemaliges Krankenhaus West-Staaken/Berlin.

Da Grauschnäpper immer wieder die gleichen Brutreviere besetzen, ergeben sich zuverlässige Beobachtungsmöglichkeiten, wenn man die Vögel erst einmal entdeckt hat. In den letzten Jahren hatte ich deshalb das große Glück, mehrere Generationen Grauschnäpper das Nest verlassen zu sehen. Jede erfolgreiche Brut war für mich ein berührendes, freudiges Erlebnis. Außerdem habe ich viele Stunden damit verbracht, als stille Beobachterin Anteil am Leben der Alt- und Jungvögel zu nehmen. Auch dann, wenn sie nicht in Fotografiernähe gekommen sind. Zu sehen, wie unermüdlich sich die Altvögel um den Nachwuchs kümmern, wie mutig Feinde vertrieben werden, wie die Jungvögel den Altvögeln bei der Jagd zuschauen, sie begleiten und schließlich ihre eigenen Versuche starten ... diese Erlebnisse werde ich nie vergessen. Und nicht nur einmal habe ich dabei dem jeweiligen Nesthäkchen oder den besonders unbeholfenen Jungvögeln meine Daumen gedrückt. Denn tatsächlich gibt es unter den jungen Grauschnäppern wahre Naturtalente, denen die kunstvolle Jagd in der Luft quasi ins Nest gelegt wurde. Und solche, die sich reichlich schwer damit tun und eine Weile brauchen, bis sie die Jagdtechnik draufhaben. Ganz zu schweigen von meiner Freude, wenn die Vögel im darauffolgenden Frühjahr wiederkehrten.

Anfangs werden junge Grauschnäpper nach dem Verlassen des Nestes noch von den Altvögeln gefüttert, 23.07.2023, Sommerbad Staaken/Berlin.
Anfangs werden junge Grauschnäpper nach dem Verlassen des Nestes noch von den Altvögeln gefüttert, 23.07.2023, Sommerbad Staaken/Berlin.
Ein junger Grauschnäpper hat das Nest verlassen und wartet im Geäst auf Futter, 10.08.2017, Sommerbad Staaken/Berlin.
Ein junger Grauschnäpper hat das Nest verlassen und wartet im Geäst auf Futter, 10.08.2017, Sommerbad Staaken/Berlin.

Wie alle Jungvögel bettelt auch der Grauschnäpper-Nachwuchs lautstark um Futter, sobald sich die Altvögel blicken lassen, 23.07.2023, Sommerbad Staaken/Berlin.
Wie alle Jungvögel bettelt auch der Grauschnäpper-Nachwuchs lautstark um Futter, sobald sich die Altvögel blicken lassen, 23.07.2023, Sommerbad Staaken/Berlin.
Während die Nesthäkchen noch gefüttert werden, versucht sich der ältere Nachwuchs in der Nähe der Altvögel bereits selbst an der Jagd auf Insekten, 03.08.2019, Sommerbad Staaken/Berlin.
Während die Nesthäkchen noch gefüttert werden, versucht sich der ältere Nachwuchs in der Nähe der Altvögel bereits selbst an der Jagd auf Insekten, 03.08.2019, Sommerbad Staaken/Berlin.

Denn Grauschnäpper sind Zugvögel, die bei uns nur vom Frühjahr bis in den Frühherbst beobachtet werden können. Sowohl die mir bekannten Grauschnäpper am Hahneberg als auch die in meiner Wohnnähe machen sich in der Regel bereits ab Mitte/Ende August, spätestens bis Mitte September auf den langen Weg in ihre Überwinterungsgebiete im südlichen Teil Afrikas. Zurück sind sie meist Mitte bis Ende Mai.

Auch am Staakener Hahneberg gibt es Grauschnäpper-Reviere, 01.09.2023, Hahneberg/Berlin.
Auch am Staakener Hahneberg gibt es Grauschnäpper-Reviere, 01.09.2023, Hahneberg/Berlin.

Obwohl Grauschnäpper in Deutschland noch einigermaßen häufig anzutreffen sind, steht es nicht wirklich gut um sie. Die Bestände nehmen überall ab und mancherorts tauchen Grauschnäpper gar nicht mehr auf. Neben der Lebensraumzerstörung und einer menschlichen Bautätigkeit, die keine Nistmöglichkeiten an Gebäuden mehr übrig lässt, machen ihnen der Pestizideinsatz in der Landwirtschaft und Dürreperioden in ihren afrikanischen Wintergebieten zu schaffen. Diesen abnehmenden Trend kann ich leider nur bestätigen. Zumindest, was mein unmittelbares Wohnumfeld angeht. In den letzten Jahren haben in West-Staaken umfangreiche Rodungs- und Abholzungsmaßnahmen stattgefunden. Auf dem Gelände des ehemaligen Krankenhauses West-Staaken wird seit 2017 gebaut, was nicht nur die Abholzung der waldähnlichen Areale bedeutet, sondern auch das Verschwinden der Ruinen, die bei den Grauschnäppern als Brutrevier äußerst beliebt waren. Mit dem Verschwinden der waldähnlichen Areale ging und geht außerdem die Vernichtung der artenreichen Strauch- und Krautschicht sowie Wiesenflächen einher, so dass das Insektenangebot immer mehr eingeschränkt wird. Das Anbringen von einigen wenigen Nistkästen an den noch verbliebenen Bäumen dürfte kaum ausreichen, um die Grauschnäpper-Vorkommen auf dem Gelände zu erhalten.