Das Braunkehlchen (Saxicola rubetra)


Braunkehlchen-Weibchen auf einer Sitzwarte in der Nähe des Brutplatzes, 05.06.2016, Nähe Hahneberg/Berlin.
Braunkehlchen-Weibchen auf einer Sitzwarte in der Nähe des Brutplatzes, 05.06.2016, Nähe Hahneberg/Berlin.

Einem Braunkehlchen (Saxicola rubetra) zu begegnen, ist etwas ganz Besonderes, denn es gehört in Europa zu den am stärksten von Lebensraumszerstörung bedrohten Vogelarten. Was leider auch in Deutschland traurige Realität ist, denn das Braunkehlchen steht auf der Roten Liste der vom Aussterben bedrohten Vogelarten. Als Bewohner der Offenlandschaft und von Feuchtgebieten mit Wiesenflächen und Büschen oder Bäumen braucht der ungefähr 13 Zentimeter große Vogel eigentlich nicht viel zum Überleben und zur Aufzucht seiner Nachkommen. Selbst artenreiche Feldraine oder Brachen genügen ihm vollends, wenn diese Sitzwarten und eine große Insekten- und Samenvielfalt bieten. Sitzwarten sind für die Vögel unerlässlich: Sie dienen unter anderem der Reviermarkierung durch Gesang, dem Erspähen von Feinden sowie der Ausschau nach Beute. Büsche oder Bäume inmitten einer Wiese oder am Rand, Holzpfähle, die trockenen Stengel von Rainfarn, Beifuß oder anderen krautigen Pflanzen aus dem Vorjahr, ein großer toter Ast am Rande einer Gebüschgruppe - Hauptsache, es ragt etwas aus dem umliegenden Gelände hervor, worauf sie sich niederlassen können. Zur Brut- und Balzzeit sitzt oft das Männchen auf der Sitzwarte und trällert ein kurzes flötendes Lied, in welches ab und zu Töne anderer Vögel eingestreut sein können. Die Strophen werden von relativ langen Pausen unterbrochen. Der Braunkehlchen-Mann ist also innerhalb der Fliegenschnäpper-Familie nicht einmal annähernd ein so grandioser und unermüdlicher Sänger wie zum Beispiel das Rotkehlchen oder die Nachtigall. Sein Gesang ist jedoch derart auffällig, dass ich mein erstes Braunkehlchen mit den Ohren und nicht mit Augen entdeckt habe.

Braunkehlchen-Männchen im Prachtkleid auf seiner Sitzwarte, 21.04.2018, Flugfeld Staaken/Berlin.
Braunkehlchen-Männchen im Prachtkleid auf seiner Sitzwarte, 21.04.2018, Flugfeld Staaken/Berlin.

Nähert sich ein Feind, warnt es sehr ausdauernd mit schrillen, bisweilen sehr tiefen Tönen und wippt wie der Hausrotschwanz aufgeregt auf und ab. In der Paarungs- und Brutzeit sind Männchen und Weibchen gut voneinander zu unterscheiden. Das Männchen brilliert dann mit fast schwarzem Kopf- und Rückengefieder, aus dem der helle Überaugenstreif, den beide Geschlechter tragen, hervorleuchtet. Das Weibchen ist insgesamt schwächer und braunlicher gefärbt. Beide besitzen die namengebende bräunlich-orangefarbene Kehle und Brust. Im Herbst sehen Männchen und Weibchen übrigens nahezu gleich aus. Braunkehlchen sind Bodenbrüter und legen ihr Nest meist am Fuß eines Busches oder einer größeren Pflanze an, so dass es von oben durch die Stengel und Blätter gut getarnt und wettergeschützt ist. Gebrütet wird ein bis zwei Mal jährlich, und zwar in der Zeit von Mai bis August. Wie bei vielen anderen Vögeln verlässt auch ihr Nachwuchs das Nest, bevor er flügge ist und wird noch gewisse Zeit außerhalb des Nestes von den Altvögeln betreut. Braunkehlchen sind Zugvögel und können in unseren Gefilden von ungefähr Mitte/Ende April bis Ende September beobachtet werden. Den Winter verbringen die Vögel in den Savannen südlich der Sahara. Das heißt, sie müssen einige tausend Kilometer auf dem Weg in ihre Überwinterungsgebiete und wieder zurück in ihre Brutgebiete zurücklegen. Der Wegzug in die Überwinterungsgebiete erfolgt bereits ab Anfang/Mitte September. In dieser Zeit können Braunkehlchen in kleinen Trupps beobachtet werden, die sich einzeln verstreut auf Wiesenflächen oder an Feldrändern auf der Nahrungssuche befinden.

Während des Wegzuges können Braunkehlchen bei der Nahrungssuche beobachtet werden, 08.09.2019, bei Dallgow/Brandenburg.
Während des Wegzuges können Braunkehlchen bei der Nahrungssuche beobachtet werden, 08.09.2019, bei Dallgow/Brandenburg.
Auch auf dem Vogelzug kommt ein Braunkehlchen nicht ohne Sitzwarte aus, 08.09.2019, bei Dallgow/Brandenburg.
Auch auf dem Vogelzug kommt ein Braunkehlchen nicht ohne Sitzwarte aus, 08.09.2019, bei Dallgow/Brandenburg.

Ich schrieb ja bereits oben, dass Braunkehlchen in den meisten europäischen Ländern zu den größten Verlierern in der Vogelwelt zählen. Das liegt vor allem an der großräumigen, konventionellen Landwirtschaft, in der für artenreiche Feldraine und Hecken kein Platz mehr ist und Wiesen mehrmals im Jahr gemäht werden. Feuchtwiesen werden trocken gelegt, Brachen werden nicht mehr zugelassen.

Braunkehlchen - Jungvogel, 24.07.2016, Flugfeld Staaken/Berlin.
Braunkehlchen - Jungvogel, 24.07.2016, Flugfeld Staaken/Berlin.

Jedes Fleckchen Erde muss Geld bringen. In unseren ausgeräumten Landschaften, in denen sich Maisfelder für den sogenannten Biosprit (diese Bezeichnung ist wirklich der blanke Hohn) mancherorts bis zum Horizont erstrecken, gibt es weder ausreichend Insekten, Würmer und anderes kleines Getier noch Sämereien. Ganz zu schweigen von Nistmöglichkeiten. Das Verschwinden der Braunkehlchen betrifft inzwischen auch meine Heimat Staaken. Bis 2020 waren Braunkehlchen in Staaken und drumherum gar nicht so selten. In der Umgebung des Hahnebergs sowie auf dem Flugfeld Staaken waren die schönen Vögel regelmäßig anzutreffen - das ist heute Vergangenheit. Das letzte Braunkehlchen-Paar habe ich 2020 in der Nähe des Hahnebergs beobachten können. Seitdem die Fläche regelmäßig komplett entholzt und gemäht wird, sind sie verschwunden. Auch auf dem Flugfeld Staaken brüten inzwischen keine Braunkehlchen mehr. Gesagt sei, dass in Staaken nicht allein die Lebensraumzerstörung das Problem ist. Es gibt durchaus noch Flächen, auf denen Braunkehlchen alles vorfinden, was sie brauchen. Diese werden aber viel zu stark von Menschen und ihren Hunden frequentiert, die in der Regel abgeleint im Unterholz und auf den Wiesen stöbern. Für Bodenbrüter wie das Braunkehlchen ist das fatal. Es ist bitter, mit ansehen zu müssen, dass ganze Gebiete im wahrsten Sinne des Wortes vor die Hunde gehen. Hinzu kommen jene Fußgänger - ob nun mit oder ohne Hund - und Radfahrer, vor denen kein Gelände sicher ist. Anstatt auf den Wegen zu bleiben, wird kreuz und quer gelatscht und gefahren, was das Zeug hält. Sollte also ein Braunkehlchen Ihren Weg kreuzen, dann schauen und hören Sie unbedingt genau hin. Genießen Sie den Anblick und den Moment. Denn es könnte das letzte Braunkehlchen sein, das Ihnen über den Weg flattert ...

Braunkehlchen, 05.05.2019, Lobbe/Mecklenburg-Vorpommern.
Braunkehlchen, 05.05.2019, Lobbe/Mecklenburg-Vorpommern.
Braunkehlchen, 05.05.2019, Lobbe/Mecklenburg-Vorpommern.
Braunkehlchen, 05.05.2019, Lobbe/Mecklenburg-Vorpommern.

Zum Vergleich: das Schwarzkehlchen

Gar nicht so selten kommen Braun- und Schwarzkehlchen wegen der ähnlichen Lebensraumansprüche auf einer Fläche vor oder brüten in unmittelbar nebeneinander liegenden Gebieten. Die Arten sind nicht nur aufgrund ihres Aussehens, sondern ebenso anhand des unterschiedlichen Gesangs gut zu unterscheiden.

Weibliches Schwarzkehlchen (Saxicola rubicola), 24.05.2020, Flugfeld Staaken/Berlin.
Weibliches Schwarzkehlchen (Saxicola rubicola), 24.05.2020, Flugfeld Staaken/Berlin.
Männliches Schwarzkehlchen (Saxicola rubicola), 09.05.2020, Flugfeld Staaken/Berlin.
Männliches Schwarzkehlchen (Saxicola rubicola), 09.05.2020, Flugfeld Staaken/Berlin.