Ende März 2016 machte ich einen Spaziergang durch Staaken. Es war ein trüber Tag, an dem sich nur ab und zu die Sonne zwischen dicken schwarzen Wolken blicken ließ. Zwischen Regen- und Graupelschauern drehte ich meine Runde und sah plötzlich vor mir auf einer Wiese einen grauen Vogel auf dem Boden kauern. Zumindest kam es mir so vor, als würde er auf dem Boden kauern.
Tatsächlich hatte er seine Flügel ausgebreitet, als wolle er etwas beschützen. War er verletzt? Was ist das überhaupt für ein Vogel? Es dauerte einen Moment, bis ich realisierte, was da vor sich ging. Meine Güte. Ein Sperber. Der mantelt. Das Sperbermännchen hatte einen Star in den Fängen und sichtlich Mühe, ihn zu töten - der Todeskampf dauerte eine knappe halbe Stunde und ich müsste lügen, wenn ich behaupten würde, dass mir das Zuschauen Spaß gemacht hätte. Ich war ziemlich hin- und hergerissen zwischen Mitgefühl und Faszination.Selbstverständlich ist mir bewusst, dass jedes Lebenwesen töten muss, um zu leben. Das ist eines der Grundprinzipien des irdischen Lebens und auch wir Zweibeiner sind davon nicht ausgenommen. Im Gegenteil, unsere Methoden des Tötens sind unbeschreiblich vielfältig, oft sehr grausam und ... Na ja, okay, das ist ein anderes Thema. Und auch wenn es uns oft auf den ersten Blick so vorkommt - die Natur ist nicht idyllisch. Getötet wird in jeder Sekunde. Überall. Ja, das alles ist mir bewusst und bekannt, aber trotzdem fiel es mir nicht leicht, dem Todeskampf des Stars beizuwohnen.Letztendlich flog er mit seiner Beute in ein nahe gelegenes Gebüsch, um sie am Boden zu rupfen und zu verspeisen. Offensichtlich war der Star als Beute ein wenig zu groß für ihn, denn er tat sich sichtlich schwer, zu starten und mit dem erlegten Vogel zu fliegen. Leider waren weder mein Standplatz noch das Licht optimal und meine Hände waren vor lauter Aufregung auch nicht die ruhigsten, aber auch ohne perfekte Fotos war es außergewöhnliches Erlebnis.
Einen Sperber mal aus der Nähe beobachten zu können, das gelingt einem ja nicht alle Tage. Sperber gehören zu jenen Greifvögeln, die sich in Staaken relativ häufig beobachten lassen. Meistens werde ich durch die Warnrufe von Nebelkrähen, Elstern, Amseln und anderen Vögeln auf sie aufmerksam, die ihren Todfeind eher entdecken als ich. Wenn sie hingegen im Geäst der Bäume sitzen, sind insbesondere die Männchen gar nicht so leicht zu erkennen. Und wenn man sie erkannt hat, kann man ihnen nur noch dabei zusehen, wie sie das Weite suchen. Sperbermännchen sind außerdem nicht besonders groß und aus der Ferne leicht mit anderen Vögeln zu verwechseln. Die Weibchen wiederum sind zwar bedeutend größer, aber weil Sperber ein ähnliches Federkleid wie Habichte tragen (beide gehören ja auch derselben Vogelfamilie, nämlich der der Habichtartigen an), kann ein Sperberweibchen im Baum auch schnell für einen Habicht gehalten werden. Umso mehr habe ich mich über das Erlebnis im März 2016 gefreut, denn meine sonstigen Sperberbegegnungen beschränkten sich immer auf wenige Augenblicke. Im Winter 2018 tauchte ab und zu ein Sperberweibchen in unserer Wohnanlage auf. Manchmal saß es nach einem erfolglosen Jagdversuch auf dem Hausdach gegenüber und wurde von meinereiner ausgiebig aus dem Wohnzimmerfenster heraus bestaunt. Dem geschlossenen Wohnzimmerfenster wohlbemerkt, um den Vogel nicht zu vertreiben. Ab und zu bekamen wir einen der Jagdversuche mit, auf die wir stets durch das Geschrei der Amseln und Spatzen sowie das panische Davonfliegen aller Vögel aufmerksam wurden. Phantastisch, mit welcher Geschwindigkeit und Geschicklichkeit Sperber Beute jagen. Wahnsinn, dass sie sich beim Hineinfliegen in Büsche und Bäume nicht verletzen, in die sich mit vorgestreckten Beinen und ausgefahrenen Krallen stürzen. Ihre Flugkünste sind phänomenal. Phantastisch.
Es gibt eine unglaublich interessante Dokumentation über Vögel, in der Sperber eine der Hauptrollen spielen. Sie heißt "Tierisch abgehoben". Was in dieser Dokumentation über Vögel und insbesondere den Sperber erzählt und gezeigt wird, ist schlichtweg phantastisch. Es handelt sich um Aufnahmen, die einem den Atem stocken lassen. Leider kann man die Dokumentation bisher nicht käuflich erwerben. Ich war total begeistert, komplett hin und weg. Und das nicht nur von den Sperberbildern, sondern auch von den vielfältigen, großartigen Informationen über die anderen gezeigten Vögel und die dazugehörigen Bilder. Sollte die Dokumentation irgendwann noch einmal im Fernsehen gezeigt werden - so lassen Sie sich diese Gelegenheit auf keinen Fall entgehen. Sie werden aus dem Staunen nicht mehr herauskommen.Versprochen!
Ich schrieb ja bereits auf meiner Seite über den Habicht, dass ich es ausgesprochen schwierig finde, Habichte und Sperber vor allem im Flug voneinander zu unterscheiden. Männliche Sperber lassen sich wegen ihrer braunen Farbtöne im Gefieder noch ziemlich gut erkennen und wenn ich mir meine Fotos von sitzenden Sperbern anschaue, so sind mir fast ausnahmslos Männchen vor die Linse geflogen. Ich möchte daher tunlichst auf Bestimmungstipps verzichten und jedem empfehlen, sich der Bestimmung mit Hilfe von Literatur und Fotografien im Internet zu nähern. Und ich hoffe, dass auf hiesigen Seite tatsächlich Sperber und keine Habichte zu sehen sind. Wer Fehler entdeckt, den bitte ich ausdrücklich um eine E-Mail, denn ich lerne liebend gern dazu.