Amsel (Turdus merula)


Amselweibchen (Turdus merula), 01.01.2020, Staaken/Berlin
Amselweibchen (Turdus merula), 01.01.2020, Staaken/Berlin

Manche nennen sie "Amsel", andere "Drossel". Richtig ist beides, denn die Amsel gehört in der Systematik zur Familie der Drosseln. Jeder kennt sie, hat sie schon einmal gesehen und mit Sicherheit gehört. Neben Blau- und Kohlmeise sowie dem Haussperling ist die Amsel einer unserer häufigsten Singvögel. Ob mitten in der Stadt, in Gärten und Parks, in Wäldern oder in Hecken an Wiesenrändern - die Amsel gibt es überall.

Amselmännchen (Turdus merula), 07.05.2017, Staaken/Berlin
Amselmännchen (Turdus merula), 07.05.2017, Staaken/Berlin

Aber wie das so ist mit Pflanzen und Tieren, die häufig und somit irgendwie selbstverständlich geworden sind, widmet dem allgegenwärtigen Vogel kaum jemand seine Aufmerksamkeit. Sie ist einfach da. Dabei gehört das Lied des Amselmännchens  zu den schönsten einheimischen Vogelmelodien. Der bereits im frühen Morgengrauen erklingende, klare Gesang des Amselmännchens erfreut in jedem Frühjahr aufs Neue meine Herz und zaubert ein Lächeln in mein Gesicht. Der Gesang des Amselmännchens ist unvergleichlich. Wunderschön. Und sehr berührend, finde ich. Die Worte von Khalil Gibran sind daher sehr treffend gewählt:

 

"Zwitschere dein Lied, Amsel, und vertreibe Kummer und Sorgen. In deiner Stimme gibt es eine Stimme, die an das Ohr meines Ohres dringt."

 

Der Amselmann ist also ein Singvogel im wahrsten Sinne des Wortes und außerdem vom Aussehen her mindestens so schön wie sein Gesang. Das tiefschwarze Gefieder, der leuchtend gelb gefärbte Schnabel und Augenring - er ist schlichtweg eine Augenweide. Dem Weibchen hingegen fehlen die schwarzen Farbtöne genauso wie der gelbe Schnabel. Der Augenring ist nur schwach ausgeprägt. Das Gefieder des Weibchens weist unterschiedliche Brauntöne auf und ist auf der Brust oft heller als am übrigen Körper. Dem Weibchen sehr ähnlich sind die Jungvögel. Bei ihnen wirken die Brauntöne lediglich etwas rötlicher und das Gefieder ist fleckiger als das des Weibchens. Manchmal sieht man Amseln mit gänzlich weißen Federn. Mal am Kopf, mal an der Brust oder im Schwanz. Die Ursachen dafür sind vielfältig und es ginge zu weit, hier auf sie einzugehen.

Amsel-Jungvogel (Turdus merula), 23.07.2019, Staaken/Berlin
Amsel-Jungvogel (Turdus merula), 23.07.2019, Staaken/Berlin

Die bräunliche Grundfarbe von Weibchen und Jungvögeln bietet eine hervorragende Tarnung auf dem Nest und im Geäst von Büschen und Bäumen. Wenn die Vögel reglos auf einem Ast sitzen, sind sie im Spiel von Licht und Schatten nur schwer auszumachen. Jungvögel verraten sich allerdings oft durch ihre Bettelrufe, wenn sie als Ästling von den Eltern außerhalb des Nestes noch eine Weile gefüttert werden. Altvögel machen vor allem mit ihrem durchdringenden Geschrei auf sich aufmerksam, wenn sie sich gestört fühlen oder ein Feind im Anflug ist.

Dass Amseln so häufig vorkommen, liegt übrigens vor allem daran, dass sie Allesfresser sind. Ihr Speiseplan reicht von Insekten, Regenwürmern, jungen Eidechsen und Schnecken über Beeren und Früchte bis hin zu Aas. Wenn sich eine günstige Gelegenheit bietet, werden sie sogar zum Nesträuber wie Nebelkrähe, Eichelhäher oder Eichhörnchen es sind. Die Kreativität bei der Nahrungssuche findet ihr Spiegelbild in der Auswahl des Nistplatzes. Alles, was genug Deckung und Halt für das Nest gibt, wird genutzt. Es gibt kaum ein Stück Grün mit geeignetem Gebüsch ohne Amsel. Und wenn es keinen Baum oder Busch gibt, tut es auch eine Fensternische oder ein Hohlraum in irgendeiner Mauer. Sehr beliebt sind mit Efeu oder Wildem Wein bewachsene Mauern oder Zäune, in denen das Amselnest bestens versteckt, vor Wettern geschützt und für Feinde nur schwer erreichbar ist. Und Feinde haben Amseln mehr als genug. Zu ihnen gehören die bereits erwähnten Nebelkrähen, Eichelhäher und Eichhörnchen, die es auf die Eier sowie die Jungvögel abgesehen haben. Nebelkrähen und Eichelhäher sind sehr ausdauernd, wenn es darum geht, Vogelnester auszuspähen. Sie beobachten sehr genau, wo die Altvögel hinfliegen und machen sich dann über die Nester her, wenn die Altvögel auf Nahrungssuche sind. Rabenvögel beobachten außerdem akribisch, was Menschen so tun. Wenn Sie ein Vogelnest entdecken und Rabenvögel in der Nähe sind, sollten Sie einfach weitergehen. Nehmen Sie das Nest vor den Augen der Rabenvögel ins Visier, können Sie sicher sein, dass die Vögel genau dort nachschauen, wo Sie hingesehen haben, sobald Sie weg sind.

Geplündertes Amselnest, 21.04.2017, Staaken/Berlin
Geplündertes Amselnest, 21.04.2017, Staaken/Berlin

In Gebieten, in denen es eine hohe Bestandsdichte an Rabenvögeln gibt, haben es übrigens nicht nur die Amseln, sondern auch alle anderen Singvögel sehr schwer, ihren Nachwuchs erfolgreich großzuziehen. Eichhörnchen gehen ebenfalls auf die Suche nach Vogelnestern. Ich habe schon mehrmals Eichhörnchen beobachtet, die ganz gezielt alle Plätze abgesucht haben, an denen sich Nester befinden könnten. Daneben stehen Amseln auf dem Speisezettel verschiedener Greifvögel, zum Beispiel dem von Turmfalke oder Mäusebussard. Und auch Marder verschmähen die Gelege und Jungvögel nicht, wenn sie darauf stoßen. Neben den Fressfeinden gibt es noch ein paar andere Faktoren, die den interessanten Vögeln hierzulande zusetzen. Vorneweg der Mensch mit der Landschaftszerstörung durch die konventionelle Landwirtschaft und seine Bautätigkeit. Das fängt schon bei der Hecke im Garten an, die durch eine pflegeleichte, blickdichte Begrenzung aus Plastik ersetzt wird, wie es derzeit immer mehr in Mode kommt. In einer Plastikfolie kann kein Vogel brüten! Und in einer Plastikfolie gibt es weder Beeren noch Insekten, die unseren Vögeln sommers wie winters als Nahrung dienen! Gar nicht so selten finden Amseln außerdem durch Autos den Tod. Trockene, heiße Sommer setzen den liebenswerten Vögeln ebenfalls zu, weil es nicht genügend Nahrung, vor allem die für die Jungenaufzucht wichtigen Regenwürmer gibt. Und nicht zuletzt führt das aus Afrika eingeschleppte Usutu-Virus immer wieder dazu, dass ganze Amselpopulationen verschwinden.

Badendes Amselmännchen (Turdus merula), 05.06.2016, Staaken/Berlin
Badendes Amselmännchen (Turdus merula), 05.06.2016, Staaken/Berlin

Gartenbesitzern wird nicht neu sein, dass Amseln sehr zutraulich werden können. Neugierig beobachten sie alles, was in ihrem Revier vor sich geht. Ein frisch gemähter Rasen oder ein aufgelockertes Beet ziehen sie magisch an, denn dort kommt durch die Gartenarbeit so allerlei Nahrung zum Vorschein, vor allem Regenwürmer, Raupen und Schnecken. Apropos Schnecken: Die Amseln auf unserem Grundstück fressen auch Nacktschnecken, die vor dem Auffressen lange im Sand hin- und hergewälzt werden, um den Schleim zu entfernen. Haben sich Amseln erst einmal an die Gartenbesitzer gewöhnt, lassen sie sich weder bei der Nahrungssuche noch beim Gesang stören. Kaum ein Vogel kann so häufig und so gut beobachtet werden wie die Amsel, wenn die Bedingungen passen. Wer einen halbwegs naturnahen Garten besitzt, wird nicht lange auf ein Amselpärchen warten müssen. Wichtig sind (katzensichere) Nistmöglichkeiten wie dichte Hecken, Büsche oder eben von Efeu oder Wildem Wein berankte Flächen. Pflanzenvielfalt sorgt für Insekten, Samen und Beeren. Amseln lieben die blauen Beeren des Efeus oder der Schlehe genauso wie die roten des Weißdorns - Gewächse, die mit ihren Blüten und Früchten außerdem jeden Garten zieren. Ein gesunder Boden, der regelmäßig mit Wasser versorgt wird, bietet Regenwürmer und andere Leckerbissen. Und nicht zu vergessen: Die Vogeltränke, die Amseln nicht nur brauchen, um ihren Durst zu stillen. Amseln lieben es nämlich, ein ausgiebiges Bad zu nehmen und es macht unglaublich viel Freude, ihnen dabei zuzusehen.

Kämpfende Amselmännchen (Turdus merula), 24.05.2016, Staaken/Berlin
Kämpfende Amselmännchen (Turdus merula), 24.05.2016, Staaken/Berlin

Amseln sind außerdem regelmäßige Besucher von Futterhäusern, wobei sie ungern ins Futterhaus fliegen. Besser ist eine Bodenfutterstelle, also ein Platz, an dem man das Futter auf dem Boden verteilt. An den Futterstellen verhalten sich Amseln meist friedfertig untereinander und anderen Vögeln gegenüber. Zumindest im Winter. Ganz anders sieht es aus, wenn es um ihre Reviere und die holde Weiblichkeit geht. Amselmännchen können sich stundenlang verfolgen und miteinander kämpfen. Und dabei geht es richtig zur Sache. In guten Amseljahren habe ich schon bis zu 8 Amselmännchen beobachten können, die leidenschaftlich ihre Streitigkeiten austrugen.

Übrigens: Die Amsel ist nicht die einzige Vertreterin der Drosselgemeinde hierzulande. Da gibt es die Singdrossel, die nur vom Frühling bis zum Herbst bei uns weilt, während sie den Winter im Süden Europas bzw. in Nordafrika verbringt. Die sangesfreudige, laute Singdrossel ist ein regelmäßiger und häufiger Brutvogel in Staaken. Ganz im Gegensatz zur Wacholderdrossel, die nur vereinzelt bei uns brütet, aber in den Wintermonaten oft als Wintergast in der Nähe des Bullengrabens sowie am Hahneberg entdeckt werden kann. Nicht selten erscheint sie dort in Trupps von bis zu 20 Vögeln und macht sich über Liguster- und Vogelbeeren, Weißdornfrüchte oder Sanddornbeeren her. Am Hahneberg tauchen in ihrem Gefolge gar nicht so selten die etwas kleineren Rotdrosseln auf, die allerdings sehr scheu sind. Beide Arten sind Gäste aus den nördlichen Gebieten Europas. Bleibt noch die Misteldrossel als größte Vertreterin der Drosselgemeinde, die ich bisher jedoch nur vereinzelt gesichtet habe. Wer sich für die anderen Drosselarten interessiert, findet am Ende Links zum "Co." von "Amsel und Co.".