Kein Sommer in Staaken ohne Bachstelzen (Motacilla alba). Was die Mauersegler in der Berliner Luft sind, sind Bachstelzen am Berliner Boden. Überall trippeln sie umher, kaum ein Ort, an dem nicht ihr typisches kurzes Zwitschern zu vernehmen ist. Auf Wegen, Sand- und Schotterflächen, kurz gehaltenen Wiesen, Äckern, auf Mauern und Zäunen und im Geäst der Bäume - Bachstelzen sind vom Frühjahr bis in den Herbst allgegenwärtige Vögel.
Auf Rügen traf ich Bachstelzen häufig am Strand - entweder auf Nahrungssuche zwischen den Steinen und angespülten Wasserpflanzen oder beim leidenschaftlichen Bad in der Ostsee. Auf dem Darß leben sie unter anderem gern im Dünenkiefernwald ... Diese kurze Aufzählung zeigt, wie anpassungsfähig die ca. 18 cm langen, zierlich wirkenden Vögel sind. Bachstelzen sind an ihrem schwarz-weiß-grauen Gefieder, ihrem mal trippelnden, mal schreitendem Gang und vor allem am beständigen Wippen mit ihrem langen Schwanz leicht zu erkennen. Um Männchen und Weibchen voneinander unterscheiden zu können, muss man schon etwas genauer hinsehen. Männchen besitzen einen schwarzen Nacken und schwarzen Scheitel, Weibchen einen grauen Nacken, der zum Scheitel hin oft schwarz wird. Aufgrund der Tatsache, dass Bachstelzen trotz ihres freiwilligen Aufenthaltes in Menschennähe sehr scheu sind, lassen sich die Unterschiede zwischen den Geschlechter im Gelände meist nicht so einfach feststellen. Kommt man Bachstelzen zu nahe, fliegen sie vor einem her und lassen sich in einiger Entfernung wieder auf dem Boden nieder. Das kann einige hundert Meter lang so gehen - auffliegen, weiterflattern, landen, auffliegen, weiterflattern, landen ... - bis sich der Vogel endlich dazu entschließt, nach links oder rechts abzubiegen. Der Name "Bachstelze" weist darauf hin, dass die Vögel ursprünglich an Flussufern und auf Schotterbänken beheimatet waren. Inzwischen besiedeln sie - wie bereits geschrieben - unterschiedlichste Lebensräume, zu denen Städte und Dörfer genauso gehören wie Park- und Sportplätze sowie ähnlich geeignete Orte. Hauptsache, es gibt genügend Freiflächen für die Nahrungssuche am Boden und Nistmöglichkeiten. Gewässer in der Nähe machen ein Bachstelzenrevier perfekt. Und nicht zu vergessen: Insekten, denn diese stellen die Hauptnahrung der Vögel dar. Ob Käfer, Fliegen, Schmetterlinge - es ist erstaunlich, was alles in einen Bachstelzenschnabel passt und wie geschickt die Vögel darin sind, sich ihre Beute zu schnappen. Neben der Jagd auf dem Boden werden Insekten auch durch kurzes Auffliegen oder sogar in der Luft gefangen. Ausnahmsweise stehen auch mal Sämereien oder kleine Beeren auf dem Speiseplan.
Was den Nistplatz angeht, so sind Bachstelzen in diesem Punkt genauso erfinderisch und kreativ wie sie es bei der Wahl ihres Reviers sind. Hohlräume in Gebäuden oder Mauern, in Schrottteilen aus Metall, in Holzgerümpel, in Grasbüscheln oder in Böschungen, Holzhaufen oder an Dächern - wichtig ist, dass das Nest ist halbwegs vor Feinden und Wetterunbilden geschützt ist, aber dennoch einen guten Ausblick auf die Umgebung ermöglicht. Bachstelzen kehren in günstigen Jahren bereits Ende März/Anfang April aus ihren Überwinterungsgebieten zu uns zurück und gehen auf Partnersuche. Hat sich ein Pärchen gefunden, wird unverzüglich mit dem Nestbau begonnen. Ich habe sowohl Männchen als auch Weibchen Nistmaterial wie trockenes Gras, Federn und Schafswolle für den Nestbau sammeln sehen. Die Jungvögel verlassen ungefähr zwei Wochen nach dem Schlupf das Nest. Sie tragen ein überwiegend graues Jugendkleid und wirken ziemlich rundlich, weil ihnen anfangs noch der lange Stelzenschwanz fehlt. Eine Zeitlang werden sie außerhalb des Nestes von den Altvögeln gefüttert, später begleiten sie diese bei der Jagd, um sich die besten Techniken abzuschauen. Im August sehe ich oft junge Bachstelzen, die ohne ihre Eltern auf Nahrungssuche sind. Meist sind es mehrere Jungvögel, die sich gemeinsam rumtreiben. Ab September versammeln sich Bachstelzen auf abgeernteten Feldern, kurzrasigen Brachen oder Wiesen. Auf Rügen kann man sehr schön beobachten, wie es von Tag zu Tag mehr Bachstelzen werden, die sich schließlich im Oktober auf ihren Weg in ihre Überwinterungsgebiete machen. Zu ihnen gesellen sich oft noch andere Zugvögel in großer Zahl, zum Beispiel Goldammern. Bachstelzen überwintern in Südeuropa und Nordafrika. Aufgrund der milden Winter aber auch zunehmend in Mitteleuropa und vereinzelt sogar in Deutschland.