Im Grauschnäpper (Muscicapa striata) sind sämtliche Merkmale der Fliegenschnäpper vereint: große Augen an einem großen Kopf, kurze Beine, kleine Füße und ein Schnabel, der perfekt ist zum Insektenfangen. Sein Federkleid weist überwiegend Grautöne, aber auch bräunliche Farbtöne auf. Weil sein Gefieder ihn perfekt in Bäumen und Büschen tarnt und Grauschnäpper recht scheu sind, ist es gar nicht so einfach, ihn zu entdecken. Der unscheinbare, um die 14 cm große Vogel sitzt oft regungslos und still auf einem Zaun oder Ast und hält dort nach Beute Ausschau. Ich bin wahrscheinlich zigmal an ihm vorbeigelaufen, ohne ihn überhaupt zu bemerken. Aber seitdem ich ihn mehrmals beobachten konnte und weiß, wo sich seine Reviere befinden, bin ich von diesen grandiosen Jägern völlig fasziniert.
Grauschnäpper brauchen Lebensräume, die ihnen einerseits Möglichkeiten zum Ansitzen sowie für den Nestbau und andererseits Freiflächen mit großem Insektenreichtum bieten. Ideal sind parkähnliche Landschaften mit viel Freiraum oder Wiesen, an deren Rand mehrere alte Bäume möglichst mit laubfreien, toten Ästen stehen. Denn der Grauschnäpper muss von seiner Ansitzwarte aus zur Jagd in der Luft starten und sich dann frei bewegen können, ohne von Zweigen oder Gebüsch behindert zu werden. In den Astgabeln der alten Bäume baut er außerdem gern sein Nest und zieht seine Jungen groß. Dort, wo Stürme große Äste von den Bäumen holen und diese am Wiesenrand liegen bleiben, sitzt er auch auf diesem Totholz und hält nach Beute Ausschau. Von Libellen über Käfer bis hin zu Bienen und Hummeln - alles, was fliegt und in seinen Schnabel passt, wird geschickt und blitzschnell im Flug geschnappt. Dann kehrt er meist auf den Platz zurück, von dem er gestartet ist und bearbeitet die Beute, indem er sie mit dem Schnabel auf den Ast schlägt. Anschließend verschwindet der Fang entweder im eigenen Schnabel oder in dem der ewig hungrigen Jungen. Mit seiner Gefiederfarbe und Jagdmethode macht der Vogel seinem Namen "Grauschnäpper" also alle Ehre. Die Grauschnäpper, die mir bisher über den Weg geflattert sind, mochten es nicht so sehr, beobachtet zu werden und haben sich immer sehr schnell in die Baumkronen verzogen, sobald ich stehen blieb und/oder die Kamera anhob. Wenn man sich jedoch in einiger Entfernung neben einen Baumstamm oder hinter einen Busch stellt und dort ruhig verharrt, kann man sie sehr gut beobachten und fotografieren.
In den letzten Jahren habe ich mehrere Generationen Grauschnäpper das Nest verlassen sehen. Jede erfolgreiche Brut war für mich ein berührendes, freudiges Erlebnis. Außerdem habe ich viele Stunden damit verbracht, die Alt- undJungvögel zu beobachten. Auch dann, wenn sie nicht in Fotografiernähe gekommen sind. Zu sehen, wie die Jungvögel aufmerksam den Altvögeln bei der Jagd zuschauen und ihre eigenen Versuche starten, ist einfach toll und unglaublich interessant. Nicht nur einmal habe ich dabei dem jeweiligen Nesthäkchen oder den besonders unbeholfenen Jungvögeln meine Daumen gedrückt. Denn tatsächlich gibt es unter den jungen Grauschnäppern wahre Naturtalente, der die kunstvolle Jagd in der Luft quasi ins Nest gelegt wurde. Und solche, die sich reichlich schwer damit tun und eine Weile brauchen, bis sie die Jagdtechnik draufhaben.
Grauschnäpper lassen sich gar nicht so selten in der Nähe der Zweibeiner nieder, wo sie ihre Nester auch in Mauernischen oder anderen Hohlräumen an Gebäuden bauen. Wer einen geeigneten Garten hat, kann außerdem bestimmte Nistkästen für die interessanten Vögel anbringen. Wie die Nistkästen gestaltet sein sollten, lässt sich sicherlich im Internet oder in Büchern in Erfahrung bringen. Vielleicht verhalten sich Grauschnäpper, die in unmittelbarer Nähe des Menschen leben, weniger scheu als die, die mir begegnet sind. Dann haben Sie die wunderbare Gelegenheit, diese faszinierenden Vögel aus der Nähe zu beobachten. Allerdings nur vom Frühling bis in den Spätsommer, denn wie fast alle der von mir vorgestellten Fliegenschnäpper sind Grauschnäpper Zugvögel. Sowohl die mir bekannten Grauschnäpper am Hahneberg als auch die in meiner Wohnnähe machen sich in der Regel bereits ab Mitte/Ende August, spätestens bis Mitte September auf den langen Weg in ihre Überwinterungsgebiete im südlichen Teil Afrikas. Zurück sind sie meist Mitte bis Ende Mai. Obwohl der unscheinbare Vogel in Deutschland noch einigermaßen häufig anzutreffen ist, steht es nicht wirklich gut um ihn. Seine Bestände nehmen überall ab und mancherorts taucht er nicht mehr auf. Neben der Lebensraumzerstörung und einer menschlichen Bautätigkeit, die keine Nistmöglichkeiten an Gebäuden mehr übrig lassen, machen ihm der Pestizideinsatz in der Landwirtschaft und Dürreperioden in seinen afrikanischen Wintergebieten zu schaffen.