Kohlmeisen sind laut, schlau und Anpassungskünstler. Mit bis zu 15 cm Länge von der Schnabelspitze bis zum Ende der Schwanzfedern ist die Kohlmeise (Parus major) außerdem nicht nur die größte der
unter marionunterwegs.de vorgestellten Meisen, sondern auch die größte Meise Europas. Sie ist weiter verbreitet und kommt noch häufiger vor als ihre zierliche, blaue Verwandte, die Blaumeise
(Parus caeruleus). Kohlmeisen kann man quasi überall begegnen: auf dem Land, in der Stadt, an baumbestandenen Feldrändern, in Laubwäldern, in Gärten und
Parkanlagen, auf Friedhöfen ...
Das leuchtende Blaumeisenblau sucht man im Gefieder der Kohlmeise vergeblich. Lediglich in den dunklen blaugrauen Flügel- und Schwanzfedern finden sich Blautöne. Schultern und Rücken tragen grünlich-graue Federn. Die Brust ist wie bei der Blaumeise gelb, wird aber durch ein mittiges blauschwarzes Band geteilt, das zwischen den Beinen zu einem breiten Fleck wird. Kopf, Nacken und Kehle sind ebenfalls tief blauschwarz gefärbt. Die Wangen strahlen blütenweiß. Männchen und Weibchen lassen sich nur anhand der blauschwarzen Federanteile unterscheiden. Beim Weibchen glänzen sie nicht so wie beim Männchen. Das Nackenband ist schmaler und manchmal an der Kehle unterbrochen. Das dunkle Bauchband ist beim Weibchen nicht durchgängig, sondern fleckig und/oder unterbrochen. Jungvögeln fehlen die kräftigen Farben, alles ist matter und eher bräunlich, gräulich, olivgrün, aber man erkennt durchaus, dass es kleine Kohlmeisen sind. Am Ende des Textes gibt es weitere Fotos von männlichen und weiblichen Kohlmeisen sowie Jungvögeln, einen Eindruck von Kohlmeisen am Nest und eine Gegenüberstellung von Kohl- und Blaumeise.
Der Name "Kohlmeise" weist übrigens nicht darauf hin, dass die Vögel irgendeine Beziehung zu Kohl haben, sondern bezieht sich auf den kohlenschwarzen Kopf. Kohlmeisen haben ein riesiges Nahrungsspektrum: Insekten aller Art und ihre Larven, Spinnen, Käfer, Nüsse, Pflanzensamen, Obst und Beeren. Sie ist quasi ein Allesfresser wie wir Menschen. An den Nachwuchs werden jedoch hauptsächlich Raupen verschiedener Nachtfalter verfüttert. Nur wenn diese Mangelware sind, bekommen die Jungvögel andere Insekten, Spinnen usw. - auf jeden Fall aber ausschließlich tierische Kost.
Die Aktivitäten der Kohlmeise bei der Nahrungssuche sind nicht so sehr an den Aufenthalt in Bäumen gebunden wie das bei ihrer blauen Verwandten der Fall ist. Kohlmeisen suchen überall nach Nahrung: in Büschen und Bäumen, auf Wegen und kurzrasigen Wiesen, unter Gehölzen, in Dachrinnen, auf Dächern und und und. Nur in der Zeit der Jungenaufzucht sieht man sie fast ausnahmslos in Bäumen und Büschen, weil sie nur dort jene Nachtfalterraupen aufspüren können, die sie bevorzugt an die Nestlinge verfüttern. Allerdings reicht ihr Turntalent im Geäst bei Weitem nicht an das der Blaumeise heran. Schon aufgrund ihres Gewichts und ihrer Größe sind den Kohlmeisen in dieser Hinsicht klare Grenzen gesetzt.
Ein Kohlmeisenpaar bleibt eine Fortpflanzungssaison zusammen. Wenn das Männchen ein Revier besetzt hat, sucht es in Frage kommende Nistplätze aus. Sobald sich ein Weibchen zu ihm gesellt, werden diese Nistplätze gemeinsam besichtigt und das Weibchen trifft die letztendliche Wahl. Kohlmeisen nisten in allem, was irgendwie Platz für das Nest bietet: in Baumhöhlen, in Rohren, in Mauerspalten, in alten Laternenpfählen, in Nistkästen - würde man alle Nistplätze aufschreiben, käme eine wirklich lange Liste zustande. Der Nestbau obliegt hauptsächlich dem Weibchen, das man in den Frühlingsmonaten bei der Suche nach Nistmaterial beobachten kann. Trockene Grashalme, Moos, Federn, Tierhaare - das sind die Hauptbestandteile eines Kohlmeisennestes, das am unteren Ende der auserkorenen Bruthöhle angelegt wird. Sowohl das breite Nahrungsspektrum als auch die vielfältige und große Palette an Nistmöglichkeiten erklären, warum die Kohlmeise ein riesiges Verbreitungsgebiet hat und die häufigste Meise ist. Es ist ihre kreative Anpassungsfähigkeit, die sie derart erfolgreich sein lässt.
Zum Schluss sei gesagt, dass Kohlmeisen gern in der Nähe der Menschen leben. Dort finden sie neben abwechslungsreichen Nistmöglichkeiten jede Menge Nahrung, und zwar auch und vor allem im Winter. Sie sind zuverlässige Besucher von Futterhäusern und können dort wunderbar beobachtet werden. Wenn sie an Menschen gewöhnt sind, verhalten sie sich außerdem sehr zutraulich. Schon wenn man mit dem Futter in der Nähe des Futterplatzes auftaucht, fliegen sie einen an und zwitschern, was das Zeug hält. Jedem, der Kohlmeisen in seinem Garten hat und Vögel füttert, wird dieses Verhalten vertraut sein. Da Kohlmeisen keinen Vogelzug in südliche Überwinterungsgebiete antreten, sind sie bei uns das ganze Jahr über präsent. In einem Garten oder auf einem Balkon, der von den schlauen Vögeln zum Revier auserkoren wurde, können deshalb interessante Freundschaften zwischen Mensch und Tier entstehen, die dem Zweibeiner unheimlich viel Freude und den Vögeln ein schönes Leben verschaffen können. Untereinander hingegen sind sich Kohlmeisen nicht immer wohlgesonnen. Insbesondere in der Balz- und Brutzeit legen sie gegenüber anderen Artgenossen eine Aggressivität an den Tag, die man ihnen so gar nicht zutraut. An Futterhäusern scheinen sie sich zumindest den Artgenossen aus der näheren Umgebung gegenüber friedlich zu verhalten. Kohlmeisen aus nördlicheren Gefilden treten übrigens gern Wanderungen in mildere Gebiete an und gesellschaften sich dafür meist mit anderen Meisenvögeln, Buchfinken und auch Wintergoldhähnchen. Es kann also durchaus sein, dass sie in der kalten Jahreszeit scheinbar plötzlich einen großen Zuwachs an Kohlmeisen in ihrem Garten bemerken und in ihrem Gefolge noch andere interessante Vögel beobachten können.
Der ausgediente Laternenmast befindet sich einem eingezäunten Gehege für Zauneidechsen. Seit 2016 beobachte ich dort in jedem Mai ein Kohlmeisen-Pärchen, welches diesen Ort als Brutplatz auserwählt hat.