Nachtigall (Luscinia megarhynchos)


Männliche Nachtigall (Luscinia megarhynchos), 01.05.2020, Staaken/Berlin
Männliche Nachtigall (Luscinia megarhynchos), 01.05.2020, Staaken/Berlin

Sie ist die Auffälligste und Unauffälligste zugleich unter den hier vorgestellten Fliegenschnäppern: die Nachtigall (Luscinia megarhynchos). Am auffälligsten ist ohne Frage ihr Gesang, denn kein anderer Vogel singt derart abwechslungsreich, ausdauernd und laut wie sie. Andererseits sind Nachtigallen heimliche Vögel, die im Verborgenen leben. Ihr in unterschiedlichen Brauntönen gehaltenes Rücken- sowie Schwanzgefieder und die helle Brust ermöglichen es ihr, nahezu unsichtbar zu werden, wenn sie in den Zweigen ihr Lied singt oder vorzugsweise am Boden nach Nahrung sucht.

Weibliche Nachtigall (Luscinia megarhynchos) am Nistplatz, 16.05.2020, Staaken/Berlin
Weibliche Nachtigall (Luscinia megarhynchos) am Nistplatz, 16.05.2020, Staaken/Berlin

Ich habe mir jedefalls schon öfter unter einem Baum die Beine in den Bauch gestanden oder den Hals verrenkt, ohne den Sänger zu entdecken, obwohl sein Gesang ganz nah zu vernehmen war. Meistens sitzen die singenden Vogelmänner in Bäumen zwischen den Blättern und Ästen. Nur ganz selten habe ich sie auf einer Baumspitze ihre Strophen schmettern sehen. Farbunterschiede zwischen Männchen und Weibchen wie zum Beispiel bei den Gartenrotschwänzen oder den Schwarzkehlchen gibt es bei den Nachtigallen übrigens nicht. Das Weibchen ist lediglich etwas größer als das Männchen und ich finde, dass die Weibchen unheimlich lange Beine haben. Grundsätzlich sind Nachtigallen um die 16 cm groß und es singen ausschließlich die Männchen. Wenn Sie also eine singende Nachtigall hören oder gar erspähen, können Sie sicher sein, dass es sich um ein Männchen handelt. Wenn die Vögel Ende April/Anfang Mai aus ihren afrikanischen Überwinterungsgebieten zu uns zurückkehren, wird es bedeutend lauter in unseren Gärten, Parkanlagen, Gebüschen und Gesträuchen. Tage und Nächte werden von den Männchen unablässig mit ihren facettenreichen, unverkennbaren Strophen verziert. Wobei der nächtliche Gesang dem Anlocken der holden Weiblichkeit dient und der Gesang tagsüber anderen Männchen anzeigt, dass das Revier bereits besetzt ist. Hat sich ein Paar gefunden, ist Schluss mit dem Nachtigallenkonzert. Doch bis alle Nachtigallen bereit zur Familiengründung sind, vergehen einige Wochen und so kann man dem Gesang der Vögel ziemlich lange lauschen. In meiner Wohngegend sind Nachtigallen allgegenwärtig. Die vielen Gärten und Grünflächen bieten ihr offenbar noch ideale Lebensbedingungen. Nachtigallen brauchen strukturreiche Lebensräume mit einer artenreichen Kraut- und Strauchschicht. Und das nicht nur, um auf die Suche nach Insekten, Würmern , Spinnen und Beeren zu gehen, sondern vor allem, weil sie Bodenbrüter sind. Flink und elegant sind sie am Boden unterwegs und zwischen den Pflanzen nur schwer zu entdecken, wenn sie sich nicht gerade bewegen. Mehrmals habe ich Nachtigallen außerdem dabei beobachten können, wie sie die Zapfen von Nadelbäumen nach Raupen und anderem kleinen Getier abgesucht haben.

Reisighaufen - Nistplatz eines Nachtigallpärchens, 16.05.2020, Staaken/Berlin
Reisighaufen - Nistplatz eines Nachtigallpärchens, 16.05.2020, Staaken/Berlin

Das Nest wird vom Weibchen direkt auf dem Boden gebaut, zum Beispiel in Gebüschen oder wie auf dem Foto in einem Reisighaufen. Es muss vor Fressfeinden bestens getarnt sein und außerdem Schutz vor Hitze und Wetterunbilden bieten. Spätestens im September machen sich Nachtigallen auf den Weg in ihre Überwinterungsgebiete. Bevor sich unsere Meistergänger jedoch auf den langen Weg nach Süden begeben, nutzen sie die Verschnaufpause nach der Jungenaufzucht sowie das hiesige Nahrungsangebot für die Erneuerung ihres Federkleides. Frisch gemausert starten sie dann durch. In Afrika verbleiben Nachtigallen übrigens nicht am Zielort, sondern wandern den Regengebieten und somit ihrer Nahrung Richtung Südafrika hinterher.

Es versteht sich von selbst, dass mein Text über diese außergewöhnlichen Vögel nicht enden kann, ohne dass ich noch einmal auf den Gesang des Männchens zurückkomme. Das Vernehmen der ersten Nachtigall bedeutet für viele Menschen den Beginn des Frühlings. Der stimmungsvolle, manchmal sehr wehmütige, aber dann auch wieder beschwingte, abwechslungsreiche Gesang sucht seinesgleichen in unserer Vogelwelt. Es soll Männchen geben, die bis zu 200 verschiedene Strophen zum Besten geben können. Unglaublich! Nachtigallen singen keine Melodien, das sei gesagt. Ihr Gesang ist eine Aneinanderrreihung von verschiedenen Strophen, die durch Pausen voneinander abgegrenzt werden. Je ranghöher und erfahrener das Männchen ist, umso vielgestaltiger ist sein Gesang. Es ist ein besonderes Erlebnis, in einem Gebiet mit vielen Nachtigallen dem Wettstreit der Männchen zu lauschen, die sich von ihren unterschiedlichen Sitzplätzen aus antworten. Allerdings kenne ich ein paar Leute, denen die Nachtigall nachts den Schlaf raubt. Kein Wunder, denn nachts, wenn alle anderen Vögel verstummt sind und kaum noch Nebengeräusche zu hören sind, ist der Gesang unheimlich laut und sehr weit zu hören. Wie dem auch sei, der Gesang der Nachtigall hat von jeher die Menschen beeindruckt. Ob als Ankündigung des Frühlings, in Dichtung oder im musikalischen Bereich. Und auch der typisch berlinerische Spruch "Nachtigall, ick hör dir trappsen." als Synonym für eine Vorahnung ist eine Art Hommage an die grandiose Sängerin ...