Die Misteldrossel (Turdus viscivorus) ist die größte unserer heimischen Drosseln. Vom Kopf bis zum Ende der Schwanzfedern bis zu 29 cm lang ist sie einige Zentimeter größer als die Amsel (Turdus merula) und wirkt insgesamt auch irgendwie kompakter als diese. Verwechseln kann man Amsel und Misteldrossel wegen ihres grundverschiedenen Aussehens nicht. Allerdings kann man die Misteldrossel auf den ersten Blick für eine Singdrossel (Turdus philomelos) halten, da sie sich in Bezug auf Farbe und Zeichnung sehr ähneln. Auf den zweiten Blick wird klar, dass die Singdrossel nicht nur kleiner und insgesamt zierlicher als die Misteldrossel ist. Auch die Oberseiten der Vögel unterscheiden sich: Der Rücken der Singdrossel ist braun, der der Misteldrossel graubraun, wobei das Grau oft überwiegt. Die Vorderseite des Rumpfes weist kräftige dunkle Flecken auf. Ein sicheres Erkennungsmerkmal der Misteldrossel stellen die weißen Flügelunterseiten dar, die man zugegebener Maßen nur sehen kann, wenn sie fliegt oder in einem Busch der Weißbeerigen Mistel landet. Wenn die Misteldrossel fliegt, fällt einem außerdem der lange Schwanz auf. Typisch für Misteldrosseln ist ein lautes, schnarrendes Geräusch, welches sie zum Beispiel hören lässt, wenn sie sich gestört fühlt.
In meiner Wohngegend ist es so, dass Misteldrosseln bisher immer um die Weihnachtsfeiertage herum erschienen und bis längstens Mitte Februar geblieben sind. In einer Zeit also, in der die Singdrosseln in ihren Überwinterungsgebieten weilen, so dass Verwechslungen praktisch ausgeschlossen sind. Begegnet sind mir stets einzelne Tiere, die für einige Zeit einen mit der Weißbeerigen Mistel bewachsenen Baum besetzten, denn die Beeren dieser Pflanze gehören im Winter zur Hauptnahrung der schönen Vögel. Ich denke, dass es sich um Gäste aus den brandenburgischen Wäldern oder gar Nordosteuropa handelt, die hier überwintern.
Misteldrosseln sind, je nachdem wo sie ihre Brutgebiete haben und wie sich die Winter gestalten, Zugvögel oder sogenannte Teilzieher. Manche ziehen in harten Winter nach Südeuropa oder Nordafrika, andere bleiben in Mitteleuropa. Hat eine Misteldrossel einen mit Misteln bewachsenen Baum für sich erkoren, wird sie diesen gegen jeden anderen Vogel leidenschaftlich verteidigen. Egal, ob Wacholderdrossel, Kernbeißer, Blaumeise oder Gimpel - alle werden sofort unter schnarrenden Gezeter verjagt. Eine Misteldrossel bleibt auf ihrem Baum offensichtlich gern für sich. Ein besonderes Erlebnis hatte ich im Januar 2022, als ich mehrmals miterleben durfte, wie eine Misteldrossel von einem Eichelhäher gestalkt wurde und sich erfolgreich verteidigt hat (siehe Link zum Blogartikel am Ende der Seite). Gesagt sei, dass sie natürlich nicht nur schnarren kann. Das Schnarren ist zwar ein typisches Geräusch dieses Vogels, aber sie kann auch singen. Ihr Gesang ähnelt dem der Amsel, ist jedoch nicht so abwechslungsreich und melodisch. Was die Nahrung der Misteldrossel angeht, so verrät ja bereits ihr Name, dass die Weißbeerige Mistel eine wichtige Rolle in ihrem Leben spielt, und zwar vor allem in den Wintermonaten. Umgekehrt ist die Misteldrossel für die Pflanze wichtig, denn sie wird durch die Ausscheidungen des Vogels verbreitet. Die Misteldrossel ist quasi eine Mistelgärtnerin, die selbst für den Erhalt ihrer Winternahrung sorgt. Die Samen der Weißbeerigen Mistel passieren den Verdauungstrakt des Vogels unbeschadet und eingehüllt in klebrigen Schleim.
Was aus dem Vogel herauskommt, ähnelt einer Perlenkette und stellt wohl den schönsten Vogelkot unserer heimischen Vogelwelt dar. Nach einer Weile fällt die klebrige Perlenkette vom Vogel ab. Mit viel Glück landet sie auf einem Ast des Baumes oder in einer anderen Mistel und bleibt dort aufgrund des klebrigen Schleims haften, so dass eine neue Weißbeerige Mistel keimen kann. Die Weißbeerige Mistel und die Misteldrossel sind also voneinander abhängig und es ist unabdingbar, das mit Misteln bewachsene Bäume erhalten bleiben und nicht gefällt werden, wie es leider viel zu oft üblich ist. Übrigens gibt es noch einige andere Vögel, die Mistelbeeren verzehren und mit ihren Ausscheidungen für die Verbreitung der Pflanze sorgen. Seidenschwänze zum Beispiel oder Kernbeißer, die ich beim Fressen der Beeren beobachten konnte. Früchte des Weißdorns oder der Schlehe und die Samen von diversen Pflanzen stehen ebenfalls auf dem Speisezettel der stattlichen Vögel. Während der Brutzeit wiederum frisst sie vorwiegend Würmer, Raupen, Insekten sowie Schnecken. Als Lebensraum bevorzugt die Misteldrossel den Wald, insbesondere hochstämmige Nadelwälder. In jenen Landesteilen, in denen sie als Brutvogel zu Hause ist, hat sie Parkanlagen, Friedhöfe ebenso besiedelt wie naturnahe Gärten. Wenn die Bäume belaubt sind oder der Vogel gerade in Mistelbüschen auf Nahrungssuche ist, fällt die Misteldrossel übrigens kaum auf. Es sei denn, sie verrät sich durch ihr typisches Schnarren. Und das lässt sie ganz sicher hören, wenn man durch ihr Gebiet streift und ihrem Mistelbaum zu nahe kommt. Außerdem lohnt es sich, unter den Mistelbäumen nach ihren Perlenketten Ausschau zu halten, die nicht immer in den oberen Ästen hängen bleiben, sondern in der winterkahlen Strauchschicht landen. Wenn Sie also im Winter unterwegs sind und an mit Misteln bewachsenen Bäumen vorbei marschieren, halten Sie Augen und Ohren offen - vielleicht entdecken Sie sie ja, die Misteldrossel.
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In jedem Winter um die Weihnachtsfeiertage herum erscheint in einem Gebiet mit mistelbestandenen, alten Pappeln eine Misteldrossel. Da ich Misteldrosseln bei uns in Staaken nicht allzu häufig zu sehen bekomme, zieht es mich in dieser Zeit immer wieder dort hin. Bis Ende Januar/Mitte Februar bleibt die Misteldrossel in diesem Gebiet und ich nutze die Zeit, um den Vogel zu beobachten und Fotos zu machen. Irgendwann ist sie dann einfach weg und deshalb nehme ich an, dass es sich nicht um einen heimischen Vogel handelt, sondern um einen Wintergast aus nördlichen Gefilden. Und natürlich habe ich keine Ahnung, ob es in jedem Jahr die gleiche Misteldrossel ist oder nicht.