Meiner Meinung nach müsste die Wacholderdrossel (Turdus pilaris) eher Obst- oder Beerendrossel heißen, aber das liegt nur daran, dass ich sie ausschließlich in den Wintermonaten sehe und in dieser Zeit frisst der schöne Vogel eben Äpfel und Beeren verschiedener Sträucher sowie Sämereien, die auf dem Boden liegen. Außerdem gibt es meiner Wohnnähe keinen Wacholder. Na jut. Für mich ist es immer wieder aufs Neue ein Erlebnis, einen Schwarm Wacholderdrosseln in einem Apfelbaum zu beobachten. Erst recht dann, wenn die Wintersonne scheint und das Obst aus dem Vorjahr wunderbar leuchtet und die Vögel gut erkennbar sind. Außerdem bin ich immer wieder darüber erstaunt, was für eine Geräuschkulisse von Wacholderdrosseln produziert wird. Anders als Amsel (Turdus merula) und Singdrossel (Turdus philomelos) ist die Wacholderdrossel kein Gesangstalent, aber dennoch außerordentlich geschwätzig. Wo Wacholderdrosseln auftauchen und das tun sie meistens in recht großen Trupps, ist immer was los. Da wird geschackert, gekrächzt, geschnarrt und hochtönend gefiept, gefressen, geflattert und gestritten. Wacholderdrosseln lieben die Gesellschaft ihresgleichen: Sie ziehen im Trupp und sie brüten gern in Kolonien. In einer Kolonie zu brüten, hat den Vorteil, sich kein Revier erkämpfen zu müssen. Wacholderdrossel-Männchen, die in Gesellschaft ihrer Artgenossen brüten, müssen also weder ausdauernd melodische Lieder trällern noch kräftezehrende Revierkämpfe austragen.
Außerdem kann man in Gemeinschaft besser gegen Fressfeinde wie Greifvögel vorgehen. In den Büchern ist zu lesen, dass Greifvögel im wahrsten Sinne des Wortes angeschissen sind, wenn sie versuchen, sich Wacholderdrosseln zu greifen. Denn die Drosselgemeinschaft versucht, den Greifvogel anzukacken und so zu vertreiben oder gar flugunfähig zu machen. Aber wie immer gibt es auch Ausnahmen, denn es gibt Paare, die lieber für sich allein im und am Nest sind. Mit einer Größe von 22 bis 27 cm ist sie ein recht stattlicher Vertreter der Drosselgemeinde und noch dazu im Vergleich zu ihren Verwandten ziemlich farbenfroh. Der Kopf ist grau, der Rücken rotbraun, der Schwanz schwarz. Die helle Brust ist teilweise beige- bis rostbraun gefärbt und mit pfeilförmigen dunklen Flecken besetzt. Die Flügelunterseite ist hell und besitzt einen weißen Keil. Ihr Aussehen ist genauso unverkennbar wie die Geräusche, die sie von sich gibt. Ursprünglich in den Birkenwäldern und Tundren des hohen Nordens beheimatet breiten sich Wacholderdrosseln seit einiger Zeit nach Westen aus und lassen sich zunehmend auch in deutschen Gefilden als Brutvögel nieder. Am liebsten in Wäldern, an die sich Felder oder kurz gehaltene Wiesen anschließen, auf denen sie ihre im Sommer bevorzugte Nahrung finden: Regenwürmer, die mit dem Gehör geortet und dann mit dem Schnabel aus dem Boden gezogen werden. Daneben stehen allerlei Beeren auf dem Speiseplan des wunderschönen Vogels, insbesondere im Winter. Schlehe, Weißdorn, Liguster, Wacholder, Sanddorn - dort, wo es reichlich Beeren gibt, taucht sie in den Wintermonaten mit Sicherheit in Scharen auf. Das gilt gleichermaßen für Wälder, Hecken und Parkanlagen als auch für Gärten.
Magisch angezogen werden Wacholderdrosseln - wie bereits oben geschrieben - von Obst, welches den Winter über an den Bäumen bleibt. Wer also Wacholderdrosseln als Wintergäste in seinem Garten begrüßen möchte, sollte die Bäume nicht komplett abernten und außerdem für ein interessantes winterliches Beerenangebot sorgen (über beides freuen sich übrigens nicht nur Wacholderdrosseln). Gute Beobachtungsmöglichkeiten ergeben sich oft zum Beispiel in Kleingartenanlagen mit vielen noch Obst tragenden Bäumen, wo die Vögel im Winter so gut wie gar nicht von Menschen gestört werden. In Staaken sind Wacholderdrosseln ungefähr Ende Oktober regelmäßige Durchzügler bzw. Wintergäste, zum Beispiel in den Hecken am Bullengraben, Flugfeld Staaken und Hahneberg. Dort bilden sie oft Gemeinschaften mit den zierlichen Rotdrosseln (Turdus iliacus) und erzeugen eine beeindruckende Geräuschkulisse. Die Vögel bleiben, bis die Beerensträucher abgefressen sind und die Sämereien am Boden knapp geworden sind. Dann ziehen sie weiter.
Im Laufe der Jahre habe ich übrigens immer mal wieder einzelne Vögel beobachtet, die eine Gruppe von Sanddornbüschen oder ein kleines Revier mit vielen Hundsrosen besetzt hielten. Eine Wacholderdrossel hielt sich Vogel hielt zum Beispiel von Anfang Dezember 2017 bis Mitte Februar 2018 allein an einer Stelle mit mehreren Sanddornbüschen auf und flog erst von dannen, als die Sträucher runtergeschnitten wurden. Ihren Sanddornhain verteidigte sie mutig und lautstark gegen jeden anderen Vogel, der sich an den Beeren zu bedienen gedachte - auch gegen Artgenossen. Ich habe mich ziemlich regelmäßig bei diesem Vogel blicken lassen. Und tatsächlich hatte ich das ausgesprochene Glück, dass die Wacholderdrossel nach einiger Zeit nicht mehr sofort meckernd das Weite suchte, sobald ich ihr Blickfeld geriet. Das bescherte mir einige schöne Fotos und wunderbare, interessante Stunden. Inzwischen bin ich übrigens ein ziemlicher Wacholderdrosselfan geworden. Es macht einfach so viel Freude, dem Treiben dieser Vögel zuzuschauen und ihrem schwatzhaften Konzert zu lauschen.