Vögel auf Rügen - Teil II

Wiesen-Schafstelze (Motacilla flava), 29.05.2019, Lobbe/Rügen
Wiesen-Schafstelze (Motacilla flava), 29.05.2019, Lobbe/Rügen

In meinem Blogartikel "Vögel auf Rügen - Teil I" (der Link befindet sich am Ende des Textes) ging es um die farbenprächtigen Karmingimpel, die geschwätzigen Gelbspötter und die Baumeister der Steilküste, die Uferschwalben. Teil II ist den Wiesen-Schafstelzen, den Brandgänsen sowie den Feldlerchen und Grauammern gewidmet. Bei allen Vorgenannten handelt es sich um Vögel, die meinereine zu Hause nur selten oder gar nicht zu sehen bekommt. Den Anfang des zweiten Teils macht die zierliche, stets in bester Stelzenmanier umher trippelende Wiesen-Schafstelze (Motacilla flava). Noch vor wenigen Jahren war sie auch am Staakener Hahneberg anzutreffen; inzwischen sucht man sie dort vergeblich. Nur an einer vom Hahneberg recht weit entfernten Stelle kann man jährlich ein bis zwei Brutpaare beobachten. Auf dem Rügener Mönchgut ist der hübsche, immer irgendwie keck wirkende Vogel in großer Zahl zu Hause. Überall dort, wo es insektenreiche Äcker und Wiesen im Verbund mit Weidetieren und Gewässern gibt, hört und sieht man sie. Rapsfelder scheinen übrigens ihr bevorzugtes Bruthabitat zu sein und wenn man mal eine Wiesen-Schafstelze im Rapsfeld entdeckt hat, weiß man auch, warum das so ist: Die Vögel sind mit ihrer gelben, graubraunen Gefiederfärbung im gelben Blütenmeer hervorragend getarnt. In der Regel verraten sie sich eher durch ihren charakteristischen hohen Ruf als dass man sie sieht. Folgt man dem Ruf, entdeckt man bald eines der Männchen, das im Wind wippend auf einem hohen Rapsstängel sitzt. Besonders in den Zeiten der Balz, die unmittelbar nach der Rückkehr aus den afrikanischen oder asiatischen Überwinterungsgebieten beginnt, sind die Männchen in ihrem leuchtenden Prachtkleid sehr aktiv und können gut beobachtet werden.

Wiesen-Schafstelzen sind Bodenbrüter und daher auf Wiesen und Äcker angewiesen, die nicht zu früh im Jahr gemäht werden. Als Insektenfresser mögen sie möglichst naturbelassene Äcker und Wiesen mit einer artenreichen Flora und beweidete Flächen, auf denen die Weidetiere und ihre Hinterlassenschaften für einen großen Insektenreichtum sorgen. Schafe, Ziegen oder Rinder erleichtern den Wiesen-Schafstelzen außerdem die Nahrungssuche, da sie durch ihre Bewegungen permanent Insekten aufscheuchen. Mir bereitet es stets große Freude, die kleinen Vögel auf meinen morgendlichen Spaziergängen zwischen Lobbe und Middelhagen beobachten zu dürfen. Sowohl ihr Anblick als auch ihr typisches Zwitschern gehört für mich genauso zu einem Rügenurlaub wie das Rauschen der Ostsee. Allen, die noch nicht genug gelesen und gesehen haben, empfehle ich meine Artikelseite über die "Wiesen-Schafstelze (Motacilla flava)".

Brandgans-Pärchen (Tadorna tadorna), 28.05.2019, Middelhagen/Rügen
Brandgans-Pärchen (Tadorna tadorna), 28.05.2019, Middelhagen/Rügen

Typischer Bestandteil meiner Rügenurlaube sind außerdem die markant gezeichneten Brandgänse (Tadorna tadorna), die vom Frühjahr bis in den Herbst auf Rügen weilen.Wann sie auf dem Mönchgut eintreffen und wann sie sich in Richtung Nordsee begeben, hängt von den Witterungsbedingungen sowie dem Nahrungsangebot ab. Das Mönchgut ist bei zahlreichen Brandgänsen anscheinend sehr beliebt. Neben feuchten Deichwiesen mit sandigen Freistellen und schlickigen Küsten- oder Boddensäumen für die Nahrungssuche bietet das Mönchgut den recht stattlichen Entenvögeln hervorragende Nistmöglichkeiten. Die Brandgans nistet nämlich in Erdhöhlen, wirklich wahr. Bevorzugt werden bereits vorhandene Höhlen von Kaninchen oder Füchsen oder andere Erdlöcher, die zu einer Röhre ausgebaut werden, an deren Ende das Nest befindet. Die inaktiven und bewachsenen, nicht zu steilen Kliffs auf dem Mönchgut, die in Küstennähe liegenden, kleinen Wäldchen mit entsprechendem Untergrund sagen den wunderschönen Vögeln offenbar zu. Besonders im Mai und Juni kann man sie auf den Deichwiesen zwischen Lobbe und Middelhagen oder an ruhigen Strandabschnitten bei der Nahrungssuche beobachten. Meist durchpflügt das etwas kleinere Weibchen auf der Suche nach Würmern, Schnecken und anderem kleinen Getier Schlamm und Wasser mit dem Schnabel , während das Männchen aufmerksam an ihrer Seite bleibt und nach Rivalen oder Gefahren Ausschau hält. Nicht selten fliegen mehrere Männchen einem alleinstehenden Weibchen hinterher und zeigen eindrucksvolle Flugmanöver. Begleitet wird das Ganze von lautem, schnarrenden Lauten, die einen sofort zum Himmel aufblicken lassen. Auf dem nebenstehenden Foto ist im Vordergrund das Männchen mit seinem Schnabelhöcker und im Hintergrund das Weibchen zu sehen. Manchmal sitzen sie in Ufernähe auch ruhig auf einem großen Stein, werden dort aber leider immer öfter von der stetig zunehmenden Zahl an Hunden, die noch dazu allzu selten angeleint sind, gestört. Brandgänse leben übrigens monogam und bleiben oft über viele Jahre zusammen. Mit ihrer weißen Grundfarbe, dem schwarzen Kopf sowie dem rostfarbenen Ring am Brustkorb und den schwarzen Gefiederteilen sind bestens zu erkennen und können nicht mit anderen Vögeln verwechselt werden.

Wenn auf den Deichwiesen zwischen Thiessow und Klein Zicker viel Wasser steht, versammeln sich dort ebenfalls viele Brandgänse, die nach Nahrung suchen. Vom asphaltierten Weg über die Deichkrone, der in Thiessow in Hafennähe beginnt, können die Vögel bestens beobachtet werden. Gesagt sei an dieser Stelle, dass Brandgänse grundsätzlich sehr scheu sind und sofort auffliegen, sobald sie eine Annäherung bemerken. Um sie nicht dauernd zu stören, sollte man daher lieber auf das eine oder andere Foto verzichten und mit dem Vorlieb nehmen, was sich halt aus der Entfernung oder zufällig anbietet. 

Feldlerche (Alauda arvensis), 31.05.2019, Lobbe/Rügen
Feldlerche (Alauda arvensis), 31.05.2019, Lobbe/Rügen

Neben Karmingimpel, Gelbspötter, den Uferschwalben und Brandgänsen sowie Wiesen-Schafstelzen gehören außerdem Feldlerchen (Alauda arvensis) und Grauammern (Emberiza calandra) für mich zu den Besonderheiten der Vogelwelt. In Staaken werden Feldlerchen immer seltener und Grauammern sind mir nur aus einem Gebiet bekannt, wo jährlich drei bis vier Brutpaare weilen. Beide Vögel sind aufgrund schwindender Lebensräume bedroht. Das gilt insbesondere für die Feldlerche (Alauda arvensis), auf deren Schicksal der Titel "Vogel des Jahres 2019" aufmerksam macht. Als Bodenbrüter besteht die größte Gefahr für die Feldlerche in einer zu frühen und zu häufigen Mahd oder Beweidung von Wiesen und Feldern. Monokulturen und Pestizideinsatz machen ihr das Leben zusätzlich schwer, weil damit die Nahrungsgrundlage der Vögel verlorengeht, die in unterschiedlichsten Insekten, Samen und jungen Grünpflanzen besteht. In vielen Gegenden Deutschlands ist der Gesang der Lerche verstummt. Das ist Fakt und auch der Grund dafür, dasss die Feldlerche ausnahmsweise zum zweiten Mal "Vogel des Jahres" geworden ist.  Glücklicher Weise ist der Lerchengesang auf dem Mönchgut immer noch charakteristischer Teil der Frühlingsmonate. Egal, ob man in den Zickerschen Bergen weilt, ob man den Deich zwischen Lobbe und Middelhagen entlang spaziert, über den Schafberg wandert oder das Reddevitzer Höft unsicher macht. In manchen Gebieten sind es derart viele, dass man ihnen auf Schritt und Tritt begegnet. Nicht selten liefern sich die Männchen nicht nur den typischen Balzflug - zwitscherndes Aufsteigen in den Himmel, und zwar möglichst hoch, und anschließender Sturzflug gen Boden, sondern auch knallharte Kämpfe um Weibchen Nistpätze. Ihr unverkennbarer, melodischer Gesang ist untrennbarer Teil des Frühlings auf Rügen und es ist einfach schön, dass es so ist. Ich sitze gern in den Zickerschen Bergen oder auf dem Schafberg und schaue den Lerchen zu.  Wenn die Sonne scheint, ein lauer Wind das Gesicht streichelt und der Gesang der Lerchen die Luft erfüllt - was gibt es Schöneres als solche Momente? Anders als die schnittigen Feldlerchenmänner, die sich ihre Balzflüge einiges an Kraft kosten lassen, sitzen die rundlichen Grauammermänner lieber auf dem höchsten Ast eines Busches und trällern ihr immer gleiches Lied. Weil sie bei mir zu Hause so selten sind, genieße ich auch ihren Anblick stets aufs Neue und freue mich über jede einzelne. Abschließend sei gesagt, dass natürlich jeder Vogel etwas Besonderes ist. Egal, ob Meise, Star oder Spatz, Bluthänfling, Nebelkrähe, Lachmöwe und und und - alle sind ein Meisterwerk der Evolution. Einzigartig. Interessant. Wunderschön.

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