Meine ganz persönliche Einführung in die Welt der Singvögel


Wie alle Vogelkinder verlangen auch junge Rauchschwalben (Hirundo rustica) ihren Eltern Unglaubliches ab.
Wie alle Vogelkinder verlangen auch junge Rauchschwalben (Hirundo rustica) ihren Eltern Unglaubliches ab.

Die Welt der Singvögel kommt phantastisch bunt und vielgestaltig daher. Nehmen wir nur mal den Kolkraben und das Wintergoldhähnchen. Mit einem Gewicht von bis zu 1,5 Kilogramm ist der als klug bekannte, stattliche Kolkrabe der größte Singvogel der Welt und das bei immerhin ungefähr 5000 Singvogelarten, während das Wintergoldhähnchen mit gerade einmal 4 bis 7 Gramm Gewicht der kleinste Singvogel Europas und damit auch Deutschlands ist.

Der stattliche Kolkrabe (Corvus corax) ist der größte Singvogel der Welt.
Der stattliche Kolkrabe (Corvus corax) ist der größte Singvogel der Welt.

Zwischen Kolkrabe und Wintergoldhähnchen erscheint die heimische Vogelwelt mal rundlich wie der Hausspatz und mal länglich wie die Bachstelze. Das Amselmännchen setzt auf ein elegantes schwarzes Federkleid, andere wie Gimpel, Blaumeise, Distelfink, Pirol oder Eichelhäher erscheinen überraschend farbenfroh. Nachtigall und Dorngrasmücke hingegen wirken unscheinbar und verschmelzen mit ihrer Umgebung. Die Kreativität der Natur kennt keine Grenzen, wenn es um unsere Vögel geht und so verschieden wie ihr Aussehen ist ihre Nahrung. Von Samen und Beeren über kleine Reptilien und Nagetiere bis hin zu Würmern, Schnecken, Raupen, Schmetterlingen und Fliegen. Manche fressen alles, andere haben sich spezialisiert. Nicht wenige verspeisen sogar den Nachwuchs anderer Singvögel in Ei- und Kükenform. Ob Eichelhäher, Nebelkrähe, Kolkrabe oder Elster - Rabenvögel sind Nesträuber und lassen sich keine Gelegenheit zum Plündern entgehen. Selbst die so friedlich wirkende Amsel verschmäht den Nachwuchs anderer Vögel nicht, wenn sie zufällig auf ein besetztes Nest trifft. Und das Beutespektrums des bei uns extrem selten gewordenen Raubwürgers umfasst zu einem großen Teil kleine Singvogelvertreter. Apropos SINGvögel: Die meisten der gefiederten Gesellen machen dem Begriff „Singvogel“ wirklich alle Ehre. Sie beschränken sich nämlich nicht nur auf die arteigenen Melodien, sondern machen daneben sämtliche Geräusche aus ihrer Umgebung und die anderer Vögel nach.Türenknarren, Taxiquietschen, Schlager oder Handyklingeltöne - alles kein Problem.

Das Wintergoldhähnchen (Regulus regulus) ist unser kleinster Singvogel.
Das Wintergoldhähnchen (Regulus regulus) ist unser kleinster Singvogel.

Das Nachahmungstalent von Star, Singdrossel oder Eichelhäher beispielsweise ist grandios. Nicht nur einmal haben mich Eichelhäher dazu verleitet, nach einem Mäusebussard oder einer verirrten Graugans Ausschau zu halten. Und unterm Dachgiebel eines Nachbarhauses wohnte ein paar Jahre lang ein Star, der von morgens bis abends voller Inbrunst den gepfiffenen Teil von Ushers "Yeah" vor sich trällerte und damit so manchen Zweibeiner ziemlich abnervte. Viele Arten, zum Beispiel Mönchsgrasmücke, Neuntöter, Schwarz- und Braunkehlchen, Wiesen-Schafstelze, Steinschmätzer oder Gartenrotschwanz können bei uns nur vom Frühling bis zum Herbst beobachtet werden. Auch das Zwitschern der Rauch- und Mehlschwalben sowie die hohen, fiependen Töne der Mauersegler, die zusammen das typische Geräusch eines Berliner Sommertages ergeben, können wir nur wenige Monate genießen. Denn alle Vorgenannten verbringen den Winter in südlicheren Gegenden unserer schönen Erde. Um in ihre Überwinterungsgebiete zu gelangen, legen Singvögel oft unvorstellbar lange Strecken zurück. Schlichtweg phantastisch sind zum Beispiel die Flugleistungen der recht kleinen Steinschmätzer. Alle Steinschmätzer dieser Welt machen sich auf den Weg in ein einziges Winterquartier südlich der Sahara. Auch jene, die in Alaska oder Kanada brüten.So kommen im Jahr locker um die 30.000 Kilometer Flugstrecke zusammen, nämlich einmal hin und einmal zurück. Wahnsinn! Was für eine Leistung! Andere Singvögel wiederum können das gesamte Jahr über beobachtet werden. Zu den Dauerbewohnern gehören Amsel, Grünfink, der zierliche Zaunkönig, das Rotkehlchen sowie die allseits bekannten Blau- und Kohlmeisen, um nur einige zu nennen. Nur in sehr strengen Wintern ziehen diese Vögel in mildere Gebiete ab, legen aber nicht einmal annähernd so lange Strecken zurück wie die Zugvögel.

In strengen Wintern sind die hübschen Seidenschwänze (Bombycilla garrulus) bei uns zu Gast.
In strengen Wintern sind die hübschen Seidenschwänze (Bombycilla garrulus) bei uns zu Gast.

Neben den Zugvögeln und den Dauerbewohnern gibt es noch die ganz speziellen, nämlich die, die ausschließlich im Winter in unseren Gefilden weilen. Zu ihnen gehört der Seidenschwanz, ein außergewöhnlich hübscher Vogel, der insbesondere in strengen Wintern aus Skandinavien bei uns einfliegt. Dort, wo rote Beeren wie die des Weißdorns oder des Wolligen Schneeballs die Winterlandschaft mit Farbe schmücken oder noch Bäume mit der Weißbeerigen Mistel stehen, fallen sie dann in Scharen ein. Zu den Wintergästen zählen außerdem Schwärme von Wacholder- und Rotdrosseln sowie Erlen- und Birkenzeisige, Distelfinken, Gimpel oder Goldammern, die aus nordischen Gefilden bei uns einwandern und sich zu den einheimischen Vertretern ihrer Art gesellen. Egal, ob Winter, Frühling, Sommer oder Herbst, ob im urbanen oder ländlichen Raum. Unsere Vogelwelt wartet zu jeder Jahreszeit mit Schönheit und Vielfalt auf. Doch unsere ausgeräumten Landschaften, in denen es immer weniger Hecken oder artenreiche Feldränder gibt, offene Brachlandschaften und Wiesen immer öfter Monokulturen oder Bebauungsflächen weichen müsssen, machen es der Singvogelgemeinde alles andere als leicht. Seit Jahren geht die Artenzahl kontinuierlich zurück und die Anzahl der Vögel insgesamt ebenso. Exotische Pflanzen in unseren Gärten, die zwar schön anzusehen sind, aber weder Nahrung für Insekten bieten noch Samen für Vögel ansetzen, sind die sinnlose Krönung einer von Menschen zunehmend ausgebeuteten und umgestalteten Natur. Wer die Möglichkeit dazu hat, sollte deshalb in seiner Umgebung eine Futterstelle einrichten oder ein Vogelhaus aufstellen.

Ein singendes Rotkehlchen (Erithacus rubecula) erfüllt mich immer mit großer Freude.
Ein singendes Rotkehlchen (Erithacus rubecula) erfüllt mich immer mit großer Freude.

Eine Vogelfütterung ist nicht nur Hilfe für unsere gefiederten Mitwesen, sondern kann uns Zweibeiner viele schöne, interessante Beobachtungen bescheren. Vögel zu beobachten, ist eine spannende, interessante und uns erfreuende Beschäftigung. Auch und vor allem für Kinder, die dabei eine Menge über die Natur lernen können. Als leuchtendes Beispiel der Vogelfütterung kann übrigens Großbritannien dienen, wo es quasi Volkssport ist, Vögel zu füttern, und zwar das ganze Jahr über. Ich weiß, dass sich an dieser Frage, ob man Vögel das ganze Jahr über füttern soll oder nicht, die Geister der Experten scheiden. Ich bin dennoch dazu übergegangen, die Vögel in meiner Umgebung ganzjährig mit Futter zu versorgen. Nötig sind außerdem naturnahe Gärten. Sie sind nicht nur für die Tierwelt von unschätzbarem Wert; sie sind es mindestens genauso für uns selbst. Für unsere Augen. Für unser Gemüt. Und für unsere Gesundheit, weil bedeutend weniger Chemie zum Einsatz kommen muss. Vielleicht überlegen Sie es sich auch noch einmal mit dem neuen Plastikzaun (die kommen ja leider zunehmend in Mode), für den allzu oft eine Hecke verschwinden muss. In einem Plastikzaun kann kein Vogel brüten! Kein Vogel findet dort Beeren oder Insekten! Wertvolle Brut- und Nahrungshabitate gehen mit dem Abholzen einer Hecke verloren und sind ein unwiderbringlicher Verlust. Jeder kann viele kleine Dinge für unsere Singvögel tun, wenn er nur will ... Obwohl ich alle Vögel faszinierend und unglaublich schön finde, habe ich einen Favoriten: das Rotkehlchen. Wahrscheinlich liegt das daran, dass Rotkehlchen oft sehr zutraulich werden und man sich ab und zu sogar mit ihnen anfreunden kann. Vielleicht aber auch an seinem unvergleichlichen Gesang, der im Frühling vom Morgengrauen bis in den späten Abend erklingt und auch im Herbst zu hören ist, wenn die Vögel ihre Winterreviere besetzen. Es gibt nur wenige Vögel, die mit den perlenden Melodien eines Rotkehlchens mithalten können. Das ist zumindest meine bescheidene Meinung. Sooo. Das war meine kleine Einführung in die phantastische Welt der Singvögel. Ich hoffe, dass Sie Ihnen gefallen und Ihre Neugier auf unsere Vogelwelt geweckt hat. Ich würde mich freuen, wenn Sie noch ein wenig bleiben und wünsche Ihnen viel Freude beim Umschauen.