Steinschmätzer (Oenanthe oenanthe)


Männlicher Steinschmätzer (Oenanthe oenanthe), 29.05.2017, Staaken/Berlin
Männlicher Steinschmätzer (Oenanthe oenanthe), 29.05.2017, Staaken/Berlin

Im Frühsommer 2015 habe ich sie entdeckt. Die Steinschmätzer. Das heißt, als der erste Steinschmätzer - ein Männchen im Prachtkleid - ein paar Meter vor mir auf einem Zaunpfahl saß und fürchterlich schimpfte, wusste ich gar nicht, was das für ein Vogel ist. Erst zu Hause beim Blick in den Kosmos-Vogelführer ging mir ein Licht auf. Anfangs konnte ich es kaum glauben, doch die Fotos zeigten zweifelsfrei einen männlichen Steinschmätzer. Wow. Das nennt man Glück! Steinschmätzer gehören nämlich zu den ausgesprochen seltenen Vögeln. Genauer gesagt werden sie in der Roten Liste Deutschlands als "vom Aussterben bedroht" geführt.

Weiblicher Steinschmätzer (Oenanthe oenanthe), 09.06.2015, Land Brandenburg
Weiblicher Steinschmätzer (Oenanthe oenanthe), 09.06.2015, Land Brandenburg

Ich war hin und weg angesichts dieser Begegnung und bin es bis heute. Aber im Sommer 2015 kam es noch besser, denn ich entdeckte auf einer Strecke von ungefähr 600 Metern drei Brutpaare. Von diesem Zeitpunkt an tauchte ich regelmäßig dort auf. Alle drei Paare brüteten erfolgreich; insgesamt hatten sie 8 Junge. Das waren zumindest die, die sich mir zeigten.Tja. Und dann waren sie erstmal weg, denn Steinschmätzer sind Zugvögel und verbringen die Wintermonate in Afrika.

2016 begab ich mich ziemlich früh in das Steinschmätzergebiet. Doch statt der Steinschmätzer kamen zunächst Schwarzkehlchen - auch eine Premiere für mich und was für eine. Warum hatte ich die im Vorjahr eigentlich nicht gesehen? Na ja. Dann Uferschwalben. Uferschwalben? Ja. Tatsächlich. Ich habe auch gestaunt. Mönchs- und Dorngrasmücken, Bluthänflinge, Bachstelzen und diverse andere Vögel tauchten auf. Was für eine Vielfalt. Und dann, an einem sonnigen Tag Anfang April kehrten sie endlich zurück. Fortan habe ich unheimlich viel Zeit bei den Steinschmätzern verbracht und unzählige Fotos von ihnen und jenen Vögeln gemacht, die den Lebensraum mit ihnen teilen. Geduldig habe ich auf einen günstigen Moment zum Fotografieren gewartet, mir die Sonne auf den Pelz brennen und den Wind um die Ohren wehen lassen. Vorsichtig und unaufdringlich, um sie und die anderen Vögel beim Brutgeschäft nicht zu stören. Mit ungeheurem Fleiß waren die Elternvögel auf Insektenfang. Egal, bei welchem Wetter. Nicht schlecht, was alles in einen kleinen Vogelschnabel passt und auf den unersättlichen Appetit des Nachwuchses schließen lässt. Mutig und lautstark wurden Eindringlinge wie der Neuntöter oder Turmfalken zum Rückzug gezwungen. Und der Nachwuchs, der konnte sich wirklich sehen lassen: 11 Jungvögel von 4 Steinschmätzerpaaren.

Steinschmätzer-Nachwuchs (Oenanthe oenanthe), 19.06.2016, Land Brandenburg
Steinschmätzer-Nachwuchs (Oenanthe oenanthe), 19.06.2016, Land Brandenburg

Ein paar Wochen lang konnte ich die Vogelfamilien noch bei ihren gemeinsamen Ausflügen beobachten. In den ersten Tagen saßen die Jungen auf größeren Steinen und sahen den Altvögeln bei der Jagd zu. Nach wie vor wurden sie gefüttert und taten ihren Hunger mit lautstarker Bettelei kund. Als sie selbst auf Nahrungssuche gingen, hatten die Elternvögel ihr Prachtkleid fast vollständig abgelegt und sich in graue, unscheinbare Vögel verwandelt. Kurz darauf waren alle Steinschmätzer verschwunden. Die letzten sah ich Mitte September. Mir blieb die Hoffnung, dass sie in ihren Winterquartieren wohlbehalten ankommen und im Frühling zahlreich zurückkehren. Und ich war zutiefst dankbar für all die unglaulich schönen Stunden, die interessanten Beobachtungen, die mir Einblicke in das Leben dieser Vögel bescherten. Tja. Und genau so ist es bis heute geblieben. Ich warte auf sie, beobachte sie und bin traurig, wenn sie weg sind. Über die Jahre habe ich mich in die Steinschmätzer total verliebt, was allerdings zur Folge hat, dass ich mich in jedem Jahr aufs Neue um ihre Brutplätze sorge. Am Stadtrand gelegen ist das Gebiet zu Fuß und mit dem Fahrrad schnell zu erreichen und mutiert immer mehr zum Hundeauslaufgebiet. Menschen laufen kreuz und quer, abgeleinte Hunde stöbern überall herum. Hinzu kommt eine rege Bautätigkeit in unmittelbarer Nähe, die zumindest in einem Fall zur Zerstörung eines jahrelangen Steinschmätzer-Brutplatzes geführt hat. Meine Bemühungen, die zuständigen Behörden in Berlin und Brandenburg auf das Gebiet und seine gefiederte Bewohnerschaft aufmerksam zu machen und den gebotenen Schutz herbeizuführen, liefen anfangs wirklich gut, sind jedoch coronabedingt vorerst zu gut wie gestorben. Aber ich bleibe dran. Versprochen.

Steinschmätzer-Pärchen (Oenanthe oenanthe), 21.05.2016, Land Brandenburg
Steinschmätzer-Pärchen (Oenanthe oenanthe), 21.05.2016, Land Brandenburg

Steinschmätzer sind 15 bis 16 cm groß. Das Weibchen wirkt etwas rundlicher als das Männchen. Beide tragen wie bereits weiter oben geschrieben während der Balz- und Brutzeit ein Prachtkleid. Das des Männchens ist sehr kontrastreich: Ein schwarzer Rücken mit einem blaugrauen Mittelteil, eine tiefschwarze Augenumrandung und eine helle Brust lassen ihn regelrecht erstrahlen. Auf der Suche nach Weibchen sitzen Steinschmätzer-Männchen gern auf erhöhten Plätzen und singen ziemlich laut ein recht wohl klingendes Lied. Zwischendurch steigen sie singend in die Luft auf, um sich dann wieder auf ihrer Sitzwarte niederzulassen. Wenn sie sich auf den Weg in die Winterquartiere machen, haben die Vögel sich die Vögel gemausert und tragen ein graues, unscheinbares Federkleid. In den Zugzeiten kann man Steinschmätzer-Trupps zum Beispiel auf Feldern oder auch an der Darßer Ostseeküste beobachten.Steinschmätzer sind auf der gesamten Nordhalbkugel verbreitet. Es gibt mehrere Unterarten. Phantastisch sind die Flugleistungen dieser recht kleinen Vögel, denn alle Steinschmätzer haben ihr Winterquartier südlich der Sahara. Auch jene aus Alaska oder Kanada. Da kommen im Jahr locker um die 30.000 Kilometer zusammen, einmal hin und einmal zurück. Wahnsinn. Als Lebensraum bevorzugen Steinschmätzer offene, warme Landschaften mit steinigen oder felsigen Anteilen, die ihnen Höhlen für die Anlage des Nestes bieten. Dort, wo natürliche Felsstrukturen fehlen, nehmen sie auch grobe Schuttberge oder Mauern aus locker zusammengesetzten Steinen an. Nach meinen Beobachtungen ist das Weibchen für den Nestbau zuständig, während das Männchen seine Partnerin und sein Revier im Auge behält. Die Fütterung des Nachwuchses hingegen obliegt beiden Elternteilen gleichermaßen. Die Umgebung des Brutplatzes muss einerseits Möglichkeiten zum Ausspähen von Nahrung und Feinden bieten und andererseits einen hohen Insektenreichtum aufweisen. Von Bienen und Hummeln über Schmetterlinge und Käfer bis hin zu Libellen - ein Steinschmätzer fängt alles, was in seinen oder den Schnabel der Jungvögel passt. Interessanter Weise fühlen sich Steinschmätzer von vorbeigehenden Menschen schnell gestört, nicht aber von Maschinenlärm. Mehrere mir bekannte Brutpaare brüten auf dem Gelände einer Abbruchfirma, auf der es extrem laut zugeht. Sooo. Und nun kommen jede Menge Fotos: Männchen, Weibchen, Jungvögel, Brutplätze. Viel Spaß beim Umschauen!

Männliche Steinschmätzer (Oenanthe oenanthe)

Weibliche Steinschmätzer (Oenanthe oenanthe)

Steinschmätzer-Jungvögel unterschiedlichen Alters

Steinschmätzer am Brutplatz